Am 13. November 2015 um 21.40 Uhr zerstörte Zakaria J. in Brüssel sein Mobiltelefon. So hat es die Polizei ermittelt, so steht es in der Anklageschrift. 13. November 2015, 21.40 Uhr, ein denkwürdiger Zeitpunkt: In Paris stürmten gerade schwerbewaffnete Terroristen das Bataclan, vor Bars und Restaurants lagen bereits erschossene Menschen in ihrem Blut, vor dem Stade de France hatten sich Selbstmordattentäter in die Luft gejagt. Und Zakaria J. zertrümmerte in Brüssel sein Telefon - kurz nachdem er mit einem alten Freund telefoniert hatte, der als ein Drahtzieher der Anschläge gilt. Das muss J. nun vor Gericht erklären.
"Paris Bis", ein zweites Mal Paris, so nennt man den Prozess, der diese Woche in Brüssel begonnen hat. Man könnte auch sagen: Paris, die Resterampe. Angeklagt sind 14 mutmaßliche Terrorhelfer, die der französischen Justiz keinen Auslieferungsantrag wert waren. Seit Monaten wird in Paris zwanzig Angeklagten der Prozess gemacht, an der Spitze Salah Abdeslam, der einzige Überlebende des Kommandos, das 130 Menschenleben vernichtete. Er stammt aus Brüssel, wie fast alle seine Helfer.
Die Staatsanwaltschaft in Brüssel habe "ganz hinten in der Schublade" noch Zeug zusammengekratzt, klagte ein Verteidiger zu Prozessbeginn. Zwei der Angeklagten sind verschollen, mutmaßlich getötet als IS-Kämpfer in Syrien, keiner der restlichen zwölf ist in Haft. Für den belgischen Staat ist der Prozess jedoch von höchster Bedeutung.
In Stadtteilen wie Molenbeek bewegten sich die Terroristen wie Fische im Wasser
Vor der Nase seiner Sicherheitsbehörden konnte eine islamistische Terrorzelle in der belgischen Hauptstadt das Pariser Kommando auf den Weg bringen und am 22. März 2016 noch einmal zuschlagen, zu Hause in Brüssel, wo 32 Menschen starben. Der große Prozess zum Brüsseler Anschlag wird im Oktober beginnen, "Paris Bis" gilt als Generalprobe. Das Gericht tagt in einem für die Terrorprozesse gebauten, 20 Millionen teuren Justizgebäude im Norden der Stadt, wo früher das Nato-Hauptquartier stand. Der Name: "Justitia".
"Paris Bis" ist eine Art Vergangenheitsbewältigung und auch als Warnung gedacht an das Milieu in Stadtteilen wie Molenbeek, wo sich die Terroristen wie Fische im Wasser bewegten. Es waren Brüder und Cousins, Schulfreunde, Nachbarn, die Unterschlupf gewährten, falsche Pässe besorgten, Fahrdienste erledigten. Leute wie Zakaria J. Der traf, auch das hat die Polizei ermittelt, noch am Tag vor den Pariser Anschlägen sowohl Salah Abdeslam als auch Mohamed Abrini, der später als ein Haupttäter in Brüssel von sich reden machen sollte.
Reiner Zufall, sagte Zakaria J. am ersten Verhandlungstag. Man sei sich in der Molenbeeker Stammkneipe über den Weg gelaufen, wie so oft. Und warum er sein Handy zertrümmerte am 13. November 2015, nach dem Telefonat mit seinem Freund, dem Drahtzieher der Anschläge von Paris? Man habe einen mit Zigaretten beladenen Laster klauen wollen, sagt er, der Plan habe sich in dem Gespräch zerschlagen, daher seine Wut. Von den Anschlägen habe er erst später erfahren, aus dem Fernsehen. Solche Geschichten wird man wohl häufig hören, bis im Juni die Urteile gesprochen werden.