Taiwan:"Sie können uns keinen Schaden zufügen, mit dem wir nicht umgehen könnten"

Lesezeit: 2 min

"Sie ist mit uns solidarisch. Mehr Politiker sollten kommen": Die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen (rechts) und die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taipeh. (Foto: Taiwan's Presidential Office/AFP)

In Taiwans Hauptstadt Taipeh ist von den militärischen Muskelspielen Pekings nichts zu spüren. Die Taiwaner fühlen sich auf eine mögliche Eskalation vorbereitet.

Von Florian J. Müller

Der Himmel ist blau über Taipeh, es fliegen keine Hubschrauber, die Luftschutzsirenen sind stumm - und das, obwohl nur wenige Kilometer entfernt vor der taiwanischen Küste gerade chinesische Raketen niedergehen. Anna Marti, die für die Friedrich-Naumann-Stiftung in Taiwan arbeitet, wirkt am Telefon sehr entspannt. "Von Panik bekomme ich hier nichts mit", sagt sie. Bei Lin Fei-Fan ist es hingegen laut im Hintergrund. Es sei gerade chinesischer Valentinstag, erzählt der stellvertretende Generalsekretär der taiwanischen Regierungspartei DPP. "Die Menschen gehen in die Restaurants und feiern mit ihren Partnern." Auch er sei in einem Restaurant - allerdings mit Kollegen.

Für die Inselbewohner ist die ständige Bedrohung durch China Alltag. Die Menschen in Taipeh üben jedes Jahr den Ernstfall, erst vergangene Woche hielten sie die sogenannten Wan-An-Drills ab. "Dieses Jahr war es wegen des Ukrainekriegs vermutlich besonders intensiv", sagt Marti. Die Sirenen heulten, die Menschen mussten in die Luftschutzbunker, die Feuerwehr übte das Löschen nach Raketeneinschlägen. Bunkerkapazitäten gebe es genug, sagt Marti. Der nächste Luftschutzraum von ihrem Büro aus ist das vierte Untergeschoss eines Parkhauses. Eine App der Regierung zeigt den Weg an, richtig ausgeschildert ist er ihr zufolge allerdings nicht.

Taiwan-Krise
:Chinas Armee übt offenbar die Invasion Taiwans

In unmittelbarer Nähe der Insel hat Peking begonnen, den Ernstfall zu proben: den Angriff auf die benachbarte Insel. Taiwan hat einen Besuch der Bundestagspräsidentin angeregt.

Von Florian J. Müller

Obwohl Pekings Reaktion auf den Besuch von US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi absehbar war, hatte Präsidentin Tsai Ing-wen der protokollarischen Nummer drei der amerikanischen Politik den roten Teppich ausgerollt. Über den berühmten Wolkenkratzer Taipei 101 liefen Grußbotschaften für die 82-Jährige, die den höchsten zivilen Orden erhielt. Allerdings ist die Regierung laut Marti "nicht in Triumphgeheul ausgebrochen". Tsai wolle Peking, das die demokratisch regierte Insel als abtrünnige Provinz ansieht, nicht zusätzlich provozieren.

"Je aggressiver China vorgeht, desto weniger vertrauen die Taiwaner Peking."

"Die chinesische Reaktion auf den Besuch von Pelosi hat gezeigt, warum der Besuch von Pelosi richtig war", sagt Tsai-Verbündeter Lin. "Sie ist mit uns solidarisch. Mehr Politiker sollten kommen." Chinesische Drohgebärden wie die gerade begonnenen Militärmanöver, die größten seit Jahrzehnten, seien vor allem dazu da, die Taiwaner einzuschüchtern, damit sie es ja nicht wagen, die formale Eigenständigkeit zu fordern. Doch Lin gibt sich unbeeindruckt. "Sie können uns keinen Schaden zufügen, mit dem wir nicht umgehen könnten", sagt er.

Obwohl im Dauerclinch, waren die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zwischen Taiwan und dem autokratisch regierten Festland in den vergangenen Jahrzehnten enger geworden. Taiwanische Firmen investierten massiv in Fabriken auf dem Festland, chinesische Touristen kamen auf die Insel. Seit der Wahl von Tsai Ing-wen, einer Befürworterin der Eigenständigkeit, im Jahr 2016 haben sich die Beziehungen allerdings wieder deutlich verschlechtert. Die jüngsten chinesischen Wirtschaftssanktionen gegen Taiwan richten sich laut Marti vor allem gegen Unternehmen im Süden der Insel. Dort hat Tsais DPP ihre Wählerhochburgen. Lin zufolge nutzen die Vergeltungsmaßnahmen der Präsidentin jedoch: "Je aggressiver China vorgeht, desto mehr schieben sie Taiwan weg, und desto weniger vertrauen die Taiwaner Peking."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungPekings Manöver
:Auf Taiwan schauen - und lernen

China ist eine noch größere Herausforderung als Russland, für den Westen und die Demokratie. Deutschland muss sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit lösen. Jetzt.

Kommentar von Kai Strittmatter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: