Bericht:Syrien unterhält "ein robustes Chemiewaffen-Programm"

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Eines der Zentren, in denen in Syrien Chemiewaffen produziert und ihr Einsatz vorbereitet wird, im Norden von Damaskus: Die USA, Frankreich und Großbritannien griffen es nach einer Chlor-Attacke 2018 an. (Foto: AFP)

Systematisch verbirgt das Regime in Damaskus seine verbotenen Kampfstoffe vor internationalen Kontrollen. Wer für Einsatz und Entwicklung dieser grausamen Mittel verantwortlich ist, enthüllt nun eine neue Untersuchung.

Von Paul-Anton Krüger und Frederik Obermaier, München

Der Name hört sich unverdächtig an: Zentrum für wissenschaftliche Studien und Forschung, besser bekannt unter der englischen Bezeichnung Scientific Studies and Research Center (SSRC). Dahinter allerdings verbirgt sich der Kern des Chemiewaffen-Programms des syrischen Diktators Baschar al-Assad.

Am Montag haben die in New York ansässige Open Society Justice Initiative und das 2014 in Berlin von dem Syrer Hadi al-Khatib gegründete Syrian Archive den bisher umfassendsten Bericht zu Struktur und Führungspersonal der Einrichtung und ihrer engen Verbindung mit dem Präsidentenpalast an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) übergeben sowie an eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen und die Strafverfolgungsbehörden in mehreren Ländern, darunter Deutschland. Er nennt fast 150 Verantwortliche des SSRC mit Namen.

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Das knapp 90-seitige Dokument liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Es dokumentiert detailliert, wie das syrische Regime auch nach dem Beitritt zur Chemiewaffen-Konvention im Herbst 2013 Ausrüstung und Chemikalien zur Produktion von Kampfstoffen wie Sarin vor der OPCW versteckt hat. Diese seien der 105. Brigade der Republikanischen Garden übergeben worden, einer Eliteeinheit der syrischen Armee, kommandiert von Brigadegeneral Talal Makhlouf, der eng mit der Familie Assad verbunden ist.

Strafverfolger sollen Beweise sichern für künftige Verfahren

Ziel der Autoren ist es unter anderem, der OPCW Hinweise für weitere Untersuchungen zu liefern, nachdem das Regime bislang der Aufforderungen zur Aufklärung durch die Inspektoren nicht nachgekommen ist. "Unsere Nachforschungen zeigen, dass Syrien weiterhin ein robustes Chemiewaffen-Programm unterhält", sagt Steve Kostas von der Justice Initiative. Die Mitgliedstaaten der OPCW müssten das syrische Regime zur Rechenschaft ziehen für die fortgesetzte Verletzung der Chemiewaffen-Konvention. Auch sollten die Staaten ihre Bemühungen verstärken, die Verantwortlichen strafrechtlich zu belangen.

Strafverfolgungsbehörden wie der Generalbundesanwalt in Deutschland sollen Zeugen vernehmen und Beweise sichern, so dass diese in der Zukunft in Prozessen verwendet werden können - sollten Beschuldigte außerhalb Syriens gefasst werden oder die im Raum stehenden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eines Tages in Syrien selbst verfolgt werden.

Der Generalbundesanwalt führt bereits sogenannte Strukturermittlungen zum syrischen Chemiewaffen-Programm. Die oberste deutsche Anklagebehörde ist zuständig für Ermittlungen wegen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch und kann nach dem Weltrechtsprinzip Verfahren führen, auch wenn die Beschuldigten keine deutschen Staatsangehörigen sind.

Das syrische Regime bestreitet nach wie vor, über Chemiewaffen zu verfügen oder diese eingesetzt zu haben. Diese Position unterstützt auch Russland, der wichtigste Verbündete Assads. Dagegen hat die OPCW den Einsatz von Sarin in mehreren Fällen nachgewiesen und die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad dafür verantwortlich gemacht

Die Befehle für den Einsatz von Chemiewaffen gibt der Präsident

Basierend auf zweijährigen Recherchen und Interviews mit etwa 50 früheren SSRC-Mitarbeitern und weiteren Regierungsvertretern zeichnet der Bericht nach, wie die Abteilungen des auf knapp 60 Standorte in Syrien verteilten Instituts an der Produktion von Chemiewaffen und deren Einsatz beteiligt sind. Etliche sind bisher zumindest nicht öffentlich bekannt und auch nicht von Syrien gegenüber der OPCW deklariert worden.

So vollziehen die Autoren nach, wie das Institut bei der Herstellung von Sarin eine zentrale Rolle spielt. Die Abteilung 450 mit dem wichtigsten Standort Jamraya bei Damaskus ist demnach verantwortlich dafür, den Nervenkampfstoff herzustellen und in Munition abzufüllen. Der Befehl für den Einsatz geht laut dem Bericht vom Präsidenten persönlich aus, das Kommando führe General Bassam al-Hassan, Berater des Präsidenten und verantwortlich für die Sicherheit des SSRC.

Der einflussreiche Luftwaffen-Geheimdienst und die Republikanischen Garden sind demnach für den Transport der befüllten Munition und die Planung der Einsätze verantwortlich, und sie koordinieren die Angriffe mit dem Präsidentenpalast. Auch ist das Institut in den Bau improvisierter Raketen und Fassbomben verwickelt, mit denen hundertfach Chlor auf Rebellengebiete geschossen wurde. Zudem enthält der Bericht neue Informationen zu einem Angriff mit Sarin und Chlor auf den Ort Ltamenah im März 2017, den die OPCW derzeit untersucht.

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