Syrien:Assad könnte Schützenhilfe vom Virus bekommen

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MItarbeiter laufen durch ein Krankenhaus in Damaskus. Im Hintergrund ist ein Bild von Machthaber Assad zu sehen. (Foto: AFP)

Syriens Machthaber ist zum nahöstlichen Massenmörder aufgestiegen. Nun hat er Gelegenheit, den Krieg für sich zu entscheiden - denn die Welt ist mit der Pandemie beschäftigt und schaut weg.

Kommentar von Tomas Avenarius

Auch nach neun Jahren Bürgerkrieg, ungezählten Massakern, Giftgasangriffen und sonstigen Kriegsverbrechen betrachten sich Baschar al-Assad und seine Gefolgsleute als Kämpfer im Krieg gegen Terroristen. Selbst das Unbestreitbare zählt für den syrischen Präsidenten nicht - etwa, dass die Zahl der abgeschlachteten Zivilisten die der Aufständischen und Dschihadisten weit übersteigt. So ist Assad zum nahöstlichen Massenmörder aufgestiegen, der selbst Saddam Hussein in den Schatten stellt.

Die Selbstwahrnehmung des Syrers ist so eingetrübt wie sein Blick auf das Offensichtliche. Warum sollte solch ein Mann bei Corona vernünftig handeln? Das Virus macht vor Grenzen nicht halt, doch der Augenarzt Assad hat das Naheliegende nicht wahrhaben oder zumindest lange nicht zugeben wollen. Syrien als Kriegsgebiet mit seinen Flüchtlingsheeren und seinem ausgebombten Gesundheitssystem ist noch stärker gefährdet als Staaten, in denen Frieden herrscht. Das Regime verbreitete aber bis Sonntag, es gebe keine Covid-19-Infizierten. Dann, zum Wochenauftakt, wurde bekannt, dass es den ersten Corona-Fall gebe. "Ein Ausländer", hieß es wortkarg.

Für Assad kämpfen Zehntausende ausländische Milizionäre aus Iran, Afghanistan, Pakistan und Libanon. Vor allem die Iraner, die aus einem der am schwersten von Corona geplagten Länder kommen, dürften zur Weiterverbreitung in Syrien beitragen. Da die Islamische Republik bei der Bekämpfung der Pandemie komplett versagt, Assad militärisch aber auf die Schiiten-Kämpfer nicht verzichten kann, stehen dem Virus die syrischen Türen sprichwörtlich offen.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin mischt in Syrien mit. Wenigstens er müsste ins Grübeln kommen. Wenn seine Soldaten aus diesem Krieg heimkehren, sollte er ihnen keine Orden überreichen, sondern Teststäbchen: Russen bilden die syrische Armee aus, versorgen sie mit Waffen, manche kämpfen. Sie könnten Covid-19 ganz schnell nach Moskau, Sankt Petersburg oder Wladiwostok bringen.

Aber Assad und Putin werden die Lage anders beurteilen. Ja, Corona ist wohl in Syrien angekommen und könnte sich angesichts der katastrophalen Zustände nicht nur in den Rebellengebieten rasch verbreiten. Aber was für diese beiden Staatsmänner derzeit zählt, ist nicht die Pandemie. Was zählt, ist der Krieg.

Die Aufständischen im Nordwesten kämpfen inzwischen mit dem Rücken zur Wand, die von Russen und Türken garantierte Waffenruhe ist brüchig. Gleichzeitig hält Covid-19 den Rest der Welt sprichwörtlich im Würgegriff. Wann, wenn nicht jetzt, wäre die Gelegenheit günstig, die Aufständischen endgültig niederzuringen? Auch die Türken sind zwar in den Syrien-Krieg verwickelt, unterstützen die Aufständischen, haben einige Tausend Soldaten in Idlib stehen. Die Truppen müssen aber mit Nachschub versorgt werden, wechseln über die Grenze, könnten die Krankheit weitertragen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich ohnehin verspekuliert: Er kann in Syrien wenig gewinnen, muss sich aber zugleich fragen, wie er seine Soldaten nach Hause bringt, ohne das Gesicht zu verlieren. Corona könnte der Vorwand sein.

Assad hat erklärt, er werde jeden Quadratmeter syrischen Boden zurückerobern. Jetzt hat er Gelegenheit dazu. Die Außenwelt jedenfalls wird sich dem Syrer nicht entgegenstellen.

© SZ vom 24.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Tomas Avenarius, Istanbul

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