Streit ums Südchinesische Meer:Warum die Welt besorgt auf den Pazifik schaut

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Die Chinesen bauen eine Insel: Schiffe am Mischief-Riff im Gebiet der Spratly-Inseln. (Foto: AFP)
  • In rasendem Tempo bebaut China im Süchinesischen Meer Inseln und Riffe aus, die auch von Nachbarländern beansprucht werden.
  • Beim Shangri-La-Dialog, der größten Sicherheitskonferenz Asiens, fragen sich nun alle: Was will China?
  • Pekings Abgesandter sucht nicht die Konfrontation mit den USA, aber er lässt Chinas Ansprüche als unverrückbar erscheinen.
  • US-Verteidigungsminister Carter bekräftigt den Anspruch, dass die USA die vorrangige Sicherheitsmacht im Pazifik bleiben.

Von Arne Perras, Singapur

Die Wand hinter dem Podium ist in zartes Rosa getaucht, sie erinnert an ein Yoga-Seminar, bei dem sich alle in ein gedehntes "Oooomm" vertiefen, um dann ganz langsam auszuatmen. Vielleicht wünschen sich manche, dass der sanfte Anstrich im Hintergrund jetzt ein wenig abfärbt auf die Debatte im großen Ballsaal des Shangri-La-Hotels. Aber danach sieht es angesichts wachsender Unruhe in Südostasien zunächst kaum aus.

In Singapur tagt am letzten Maiwochenende die größte Sicherheitskonferenz Asiens. Vertreter großer und kleiner Staaten debattieren über Ansprüche und Interessen, Verteidigungsminister und Generäle diskutieren, wie man Spannungen entschärfen und eine weitere Eskalation bis hin zum bewaffneten Konflikt verhindern könne. Denn nichts ist rosig, seitdem sich der Streit ums Südchinesische Meer in den vergangenen Monaten zugespitzt hat.

China bebaut Inseln, Amerika ist alarmiert

Alle haben beobachtet, wie der aufstrebende Riese China in rasendem Tempo Inseln und Riffe in einem Seegebiet bebaut, in dem auch zahlreiche kleinere Nachbarländer territoriale Ansprüche erheben. Das beunruhigt die Mehrheit der Länder Südostasiens. Und es alarmiert die Amerikaner, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die sicherheitspolitische Ordnung im Pazifik maßgeblich bestimmen. So ist es kaum verwunderlich, dass dieses Thema den Shangri-La-Dialog beherrscht wie kein anderes.

Nur kurz wird dies unterbrochen, als am frühen Sonntagmorgen ein Auto nahe dem Tagungsort eine Sperre durchbricht und die Sicherheitskräfte das Feuer eröffnen. Es gibt einen Toten, Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund finden sich zunächst nicht. Und so dreht sich bald wieder alles um das Südchinesische Meer.

Alle fragen sich: Was will China? Viele Nachbarn machen sich darüber zwangsläufig immer häufiger Gedanken, seitdem Peking seine maritimen Pläne ausweitet und die chinesische Flotte ihren Radius immer stärker erweitert. Von den Küstengewässern hinaus auf die hohe See, vom "Brown Water" ins "Blue Water", wie das die Nachbarstaaten beschreiben. Und das passt ja auch zum militärischen Weißbuch, das Peking vor einigen Tagen veröffentlicht hat. Darin ist die Rede von einer Ausweitung der "aktiven Verteidigung."

Aber was genau heißt das? Wenn es überhaupt einen Hauch der Erleuchtung in der Frage konkreter chinesischer Absichten geben sollte, so durfte man damit am ehesten am Sonntagmorgen rechnen. Da steht die Rede von Admiral Sun Jianguo auf dem Programm, er ist Vize-Generalstabschef der chinesischen Streitkräfte und höchstrangiger Abgesandter Pekings beim Shangri-La-Dialog.

Kurz nach neun tritt der Chinese ans Pult. Wer damit rechnet, dass er jetzt den rhetorischen Showdown mit den USA sucht, liegt falsch. Es spricht über China und die Welt, und in nahezu jedem Satz hebt er hervor, wie notwendig Kooperationen sind. Der Admiral spricht von Partnerschaften und von friedlichen Lösungen, die China im Falle von Konflikten anstrebe. Wenn manche Nachbarn in letzter Zeit ein zunehmend aggressives Auftreten Chinas beklagten, so wirken die Ausführungen des Admirals an diesem Morgen wie ein diplomatischer Weichspüler.

Dennoch versäumt es der Admiral auch nicht, Pekings Ansprüche als unverrückbar erscheinen zu lassen. Wo China Inseln und Riffe aufschütte, seien diese Arbeiten "gerechtfertigt, legitim und vernünftig". Die Aktivitäten fallen nach seinen Worten unter die chinesische Souveränität. Zwar wolle China kein Chaos, aber es werde sich auch nicht fremden Mächten unterwerfen. Peking akzeptiere es nicht, wenn seine territoriale Souveränität untergraben werde. Darin war der Admiral deutlich.

Die USA versprechen, die Freiheit der Seewege zu verteidigen

China reklamiert fast 90 Prozent des Südchinesischen Meeres. Das kollidiert mit Ansprüchen von Taiwan, Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Brunei. Der Rest der Welt sorgt sich vor allem um die freie Schifffahrt in internationalen Gewässern, zumal mehr als ein Drittel des globalen maritimen Verkehrs durch die Region verläuft.

An dieser Freiheit habe auch Deutschland starkes Interesse, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die erstmals an dem Dialog teilnimmt. "Ich bin hier, um zuzuhören und zu lernen," betont sie. Auch andere europäische Länder sind durch Minister vertreten, woraus zu schließen ist, dass den Spannungen in Südostasien längst globale Bedeutung beigemessen werden. Das liegt einerseits am Verlauf der Schifffahrtsrouten, andererseits aber auch an der Unsicherheit, wie eine künftige Sicherheitsordnung im Pazifik eigentlich aussehen wird.

US-Verteidigungsminister Ashton Carter bekräftigte bereits den Anspruch, dass die USA auf Jahre die vorrangige Sicherheitsmacht im Pazifik bleiben werden. In Singapur forderte Carter dann von allen Staaten der Region, ihre Bauarbeiten auf den Inseln im Südchinesischen Meer einzustellen. China allerdings habe weit mehr Land gewonnen als alle anderen Nationen dort zusammen.

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Schließlich betonte er die Entschlossenheit der USA, die Freiheit der Seewege zu verteidigen und kündigte an, US-Streitkräfte würden überall unterwegs sein, wo es internationales Recht erlaube. Für Gesprächsstoff in Singapur sorgte auch der Flug eines US-Aufklärers nahe einer von China aufgeschütteten Insel in den Spratly-Inseln, der erst wenige Tag zurückliegt. Chinesische Streitkräfte forderten die Amerikaner auf abzudrehen, ein CNN-Team an Bord sorgte dafür, dass die Welt davon erfuhr. Und Peking reagierte heftig, sprach von einem unverantwortlichen und gefährlichen Akt. Doch gerade dieser Vorfall lenkte, dem US-Kalkül entsprechend, die Aufmerksamkeit auf die Frage, wie frei die Luft- und Seewege noch sein werden, wenn China weiterbaut im Meer.

Auf der Shangri-La-Konferenz kontert Admiral Sun, dass sich am Willen nichts geändert habe, die Freiheit der Schifffahrt zu sichern. Alles in allem ist er darauf bedacht, die aufgepeitschten Emotionen mit vielen Worten über den eigenen Friedenswillen zu glätten. Eine Botschaft vor zartrosa Hintergrund lautet denn auch: China bringt positive Energie in diese Welt. Fehlt nur noch ein langes "Ooommm".

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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