Der Weg in einem Bus der US-Armee führte vorbei an einem langen Stacheldrahtzaun. Das hat die Laune schon mal nicht gehoben. Als sich Olaf Scholz und Britta Ernst dann zu Fuß den blauen Baracken nähern, schauen beide fast ein bisschen besorgt. "Kanzler, darf ich Sie nach Nordkorea einladen?", fragt Oberst Burke Hamilton. Der Kanzler und seine Frau folgen dem US-Offizier in den Konferenzraum der United Nations Command Military Assistance Commission (UNCMAC). Darin befinden sich ein paar braune Tische, Stühle - und eine Grenze. Sie verläuft genau durch die Mitte der Baracke.
Der US-Offizier führt den Besuch in Sekundenschnelle hinüber nach Nordkorea, ein paar Schritte weit jedenfalls. Von der anderen Seite ist die Tür verschlossen, da droht keine akute Gefahr. Als es sie noch gab, fanden hier Gespräche zwischen Nord- und Südkorea statt. 2019 hat Donald Trump hier den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un getroffen. Der leutselige US-Oberst kann recht lebhaft davon berichten. Als er es tut, scheint sich die Miene des Kanzlers allerdings noch weiter zu verdüstern.
Später, außerhalb der Demilitarisierten Zone im Camp Bonifas, spricht Scholz vom "großen Glück" der deutschen Wiedervereinigung. Wie groß dieses Glück sei, könne man hier sehen, wo "die Bürgerinnen und Bürger von Nord- und Südkorea nicht zusammenkommen können". Daher sei das für ihn ein "bewegender Besuch". Die nordkoreanischen Atomtests und Raketenabschüsse zeigten, wie unverändert gefährlich die Situation sei. Die ballistischen Tests müssten aufhören, sie seien eine "Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region".
Mit Südkorea sammelt Scholz einen weiteren Verbündeten für seinen Klimaklub
Scholz hat am Sonntag auf dem Weg vom G-7-Gipfel in Hiroshima Halt gemacht in Südkorea - nach drei Tagen, an denen es um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ging, um den weiteren Umgang mit China und insgesamt eine Weltlage, zu der die Stimmung in der Demilitarisierten Zone nicht schlecht passt. Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen war vor sechs Wochen in Südkorea, aber deutscher Kanzlerbesuch ist selten. Angela Merkel kam 2010 zu einem G-20-Gipfel, aber die letzte offizielle Kanzlervisite im Land liegt 30 Jahre zurück. Helmut Kohl war 1993 da. Der Besuch von Scholz werde daher, hieß es vorab aus dem Kanzleramt, "freudig erwartet".
"Wir begrüßen herzlich den offiziellen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und Frau Britta Ernst", ist bestätigend auf einem großen Bildschirm im Amtssitz Präsident Yoon Suk-yeols in Seoul zu lesen. Es ist überhaupt die erste Auslandsreise, auf der die jüngst als brandenburgische Bildungsministerin zurückgetretene SPD-Politikerin ihren Mann begleitet. Dabei gewesen war sie auch beim G-7-Gipfel in Elmau. Nun absolvierte sie auch beim Gipfel in Hiroshima das Partnerprogramm, zu dem etwa der Besuch eines Teehauses gehörte.
Präsident Yoon beschwert sich während der Pressekonferenz dann allerdings ein wenig darüber, dass Scholz nur für ein paar Stunden vorbeischaut, das sei "sehr bedauerlich". Deutschland und Südkorea preist er als "Wertepartner", die die Erfahrung des wirtschaftlichen Aufstieges und der Teilung verbinde. Sodann verkündet er, dass sein Land dem von Scholz ins Leben gerufenen Klimaklub beitrete. Mit gleichgesinnten Staaten wolle man zusammenarbeiten, um die Pariser Klimaziele und CO₂-Neutralität zu erreichen. Scholz reagiert erfreut, nennt den Beitritt einen "weiteren wichtigen Schritt". Das Einsammeln von Mitgliedschaften seines Klimaklubs scheint ein fester Bestandteil seiner Reisediplomatie zu werden. Auch Kenia hatte kürzlich während eines Besuchs des Kanzlers seinen Beitritt erklärt.
Eine weitere wichtige Ankündigung macht Yoon, der als Partner ebenfalls zum G-7-Gipfel geladen war. Vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij habe er dort eine Liste mit Waffenwünschen erhalten, berichtet er. Bisher hatte Südkorea zwar Solidarität mit der Ukraine bekundet, aber Waffenlieferungen abgelehnt. Selenskijs Liste, versichert Yoon nun, werde man "prüfen".