Nord- und Südkorea:Politik mit Knall

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Weg war der stattliche Bau: Nordkorea verbreitete dieses Foto von der Sprengung selbst. (Foto: Korean Central News Agency/AP)

Südkorea verklagt Nordkoreas Diktator Kim Jong-un auf Schadenersatz. Was sich das Land davon erhofft.

Von Thomas Hahn, Tokio

Über die rechtlichen Folgen seines Handelns macht sich Kim Jong-un bestimmt keine Gedanken. Warum auch? Er ist der Parteichef der Parteidiktatur Nordkorea. Von Pjöngjang aus gesehen kommen über ihm nur der Himmel und in einzelnen Fragen des Privatlebens vielleicht noch seine Ehefrau. Kim Jong-un macht, was er will, und an jenem 16. Juni 2020 wollte er eben ein besonderes Zeichen seines Zorns setzen. In Südkorea ließen Aktivisten wieder Ballons mit nordkoreakritischem Material steigen, das nervte ihn. Also ließ Kim Jong-un das zwischenkoreanische Liaison-Büro in Kaesong sprengen.

Er findet das sicher immer noch richtig, auch wenn es in dem Fall eine neue Entwicklung gibt: Die Regierung in Seoul hat das Kim-Regime verklagt, weil das Büro für den zwischenkoreanischen Austausch in der Grenzstadt Kaesong ja nicht nur Nordkorea gehörte. Es geht um 44,7 Milliarden Won Schadenersetz, umgerechnet knapp 32,4 Millionen Euro. Es ist die erste Klage dieser Art.

Bringt das was, einen Staat vor Gericht zu bringen, der sich nur an seine eigenen Regeln hält? Die Frage ist wichtig für die Menschen in Südkorea. Sie leben nun mal auf einer Halbinsel mit ihrem unberechenbaren Bruderstaat. Offiziell herrscht sogar noch Krieg, weil der Koreakrieg 1953 ohne gültigen Friedensvertrag endete. Da wäre es schon beruhigend, wenn man Nordkorea wenigstens auf ein paar Verbindlichkeiten festnageln könnte.

Aber die Meinungen zum Prozess gehen auseinander. Als sich der Knall von Kaesong ereignete, regierten in Seoul die Liberalen von der Demokratischen Partei, die eine sanfte Nordkorea-Politik vertreten. Die fanden seinerzeit, eine Klage schaffe nur Probleme, und warben dafür, mit Nordkorea zu reden. Die Konservativen im Parlament waren dagegen von Anfang an dafür, Pjöngjang anzuzeigen. Mittlerweile sind sie an der Macht - und haben die Klage nun also tatsächlich vor das Zivilgericht gebracht. In einer aktuellen Pressemitteilung erklärt das Vereinigungsministerium, die Sprengung des Liaison-Büros sei "nicht nur illegal, sondern auch ein Bruch mit Vereinbarungen zwischen dem Süden und dem Norden".

Unkompliziert ist der Vorgang nicht. Der Fall wäre im Grunde geeignet für den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Aber dessen Urteil würde Nordkorea bestimmt nicht anerkennen. Vor einem Zivilgericht wiederum genießen Staaten Immunität. Die Lösung? Südkoreas Regierung deutet Nordkoreas rechtlichen Status um. Sie sieht das Regime nicht als Staat, sondern als Personengesellschaft, die für ihre Aktivitäten haften muss. Eine ähnliche Strategie ging schon auf, als zwei frühere Kriegsgefangene nach ihrer Flucht aus Nordkorea Kim Jong-un verklagten. Im Juli 2020 bekamen die Männer vor dem Zivilgericht in Seoul recht. Demnach muss der Diktator beiden jeweils 21 Millionen Won zahlen, 15 200 Euro. "Richtungsweisend", jubelte damals die Seouler Menschenrechtsorganisation Mulmangcho.

Gezahlt hat Kim Jong-un dann allerdings nichts. Nordkorea schickte nicht einmal einen Anwalt zum Prozess. So wird es wohl auch im neuen Verfahren sein. Die Behörden in Seoul haben keinen Zugriff auf das Regime in Pjöngjang. Die Klage ist vor allem ein Symbol dafür, dass sich Südkorea nicht jede Laune von Kim Jong-un gefallen lassen will.

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