Sechs Tage in der Hölle seien es gewesen, sagt Nhlanhla Lux Dlamini, ein Mitglied des Gemeinderates von Soweto, der größten Township Südafrikas. Sechs Tage lang haben Dlamini und ein paar andere Bewohner die Maponya Mall verteidigt, eines der größten Einkaufszentren Sowetos, und das wohl einzige, das in der vergangenen Woche nicht von Plünderern verwüstet wurde. Wahrscheinlich Zehntausende hatten in den Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal Geschäfte, Fabriken und Logistikzentren verwüstet, betroffen waren vor allem die Township Soweto und die Küstenstadt Durban.
Es war die schlimmste Welle der Gewalt, die Südafrika seit dem Ende der Apartheid vor knapp dreißig Jahren erlebt hat, 212 Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 3000 Gewalttäter wurden mittlerweile verhaftet. Der Schaden geht in die Milliarden Euro, in manchen Regionen sind Lebensmittel und Benzin noch immer knapp.
Präsident Cyril Ramaphosa besuchte am Wochenende die betroffenen Gebiete, traf sich mit denen, die nun aufräumen oder ihre Geschäfte verteidigt haben. Nhlanhla Lux Dlamini sagte beim Besuch des Präsidenten dem Nachrichtenportal news24: Viele junge Leute, die an den Plünderungen teilgenommen haben, hätten sich nun entschuldigt. "Ihre Köpfe wurden infiltriert." Ein "unbekannter Feind" habe die Menschen in den Townships zum Plündern aufgestachelt. Die große Frage ist, ob der Feind tatsächlich unbekannt ist. Oder doch ein alter Bekannter? Ist die Gewalt nicht vor allem Folge des eskalierten Machtkampfs innerhalb des regierenden ANC?
Der Präsident spricht von einem versuchten Umsturz
Präsident Ramaphosa nannte die Unruhen und Plünderungen einen "gezielten, koordinierten und gut geplanten Angriff auf die Demokratie". Es habe sich letztlich um einen versuchten "Umsturz" gehandelt. Namen nannte er nicht. Einer seiner engsten Mitarbeiter sprach aber von zwölf Verdächtigen, die maßgeblich daran beteiligt gewesen sein sollen, die Unruhen zu koordinieren. Diese hatten am Donnerstag begonnen, einen Tag nachdem der ehemalige Präsident Jacob Zuma seine 15-monatige Haftstrafe angetreten hatte.
Zuma hatte sich geweigert, vor einer Untersuchungskommission aufzutreten, die die Korruption in seiner Amtszeit untersucht. In den neun Jahren an der Spitze des Staates hatten er und seine Clique Milliarden gestohlen, die staatlichen Unternehmen wie den Energieversorger Eskom oder die Fluggesellschaft South African Airways ausgeplündert. Zuma hat vor allem in seiner Heimatregion KwaZulu-Natal dennoch viele Unterstützer, manche mögen seine volkstümliche Art, andere profitierten von seinem Patronagenetzwerk, von kleinen oder großen Geschenken.
Am Donnerstag hatten seine Anhänger damit begonnen, Lkws auf der Autobahn nach Johannesburg anzuzünden. Danach begannen die Plünderungen. Anfangs waren es nur kleine Läden, die Ziele wurden größer und die Zahl der Plünderer auch. Vor Logistikzentren in der Region Durban kam es zu regelrechten Staus, weil so viele mit Bussen und Taxis kamen, um die Läden leer zu räumen.
"Nicht sporadisch und nicht spontan"
"Man sieht, dass diese Operation von Leuten geplant wurde, die so was schon mal gemacht haben. Es ist nicht sporadisch und nicht spontan. Deshalb gibt es Vermutungen, dass Leute bezahlt wurden", sagte Zizi Kodwa, der stellvertretende Minister für Staatssicherheit. Ihn erinnere das Vorgehen an die Taktiken von Umkhonto we Sizwe, dem bewaffneten Arm des ANC, der während der Apartheidzeit mit Anschlägen versuchte, den Staat zu destabilisieren. Der Verband der Veteranen des Befreiungskampfes gehört zu den engsten Unterstützern von Präsident Zuma. Schon im Dezember hatten die Veteranen gewarnt, man möge pfleglich mit Zuma umgehen, sonst könne ein "Coup" passieren.
Die Gewalt der vergangenen Woche kommt dem nun ziemlich nahe. Es wurde nicht nur geplündert, sondern gezielt die Infrastruktur des Staates zerstört: Mehr als 100 Mobilfunkmasten wurden angegriffen, Anlagen zur Wasseraufbereitung, Krankenhäuser und mindestens 30 Schulen. Südafrikanische Medien haben zahlreiche Whatsapp-Gruppen identifiziert, in der Zuma nahestehende Personen zur Gewalt aufrufen und detaillierte Ziele ausgeben.
Südafrika:Die Wut hat nur einen Funken gebraucht
Ein Ex-Präsident wird verhaftet und ganze Regionen Südafrikas versinken in Anarchie. Die Bürger fragen sich: Was davon ist echter Zorn und was organisierte Gewalt, die den Staat zersetzen soll?
Die geplanten Unruhen gerieten schließlich aber außer Kontrolle, weil sich immer mehr Menschen den Plünderern anschlossen. Weil sie zu wenig zu essen hatten. Oder weil sie auch so einen Fernseher wollten, wie ihn der Nachbar gerade angeschleppt hatte.
Mittlerweile scheint auch unter vielen Plünderern Katerstimmung zu herrschen, das Ausmaß der Gewalt war für viele Südafrikaner schockierend und auch abschreckend. Bevor die Krawalle losgingen, soll es im ANC Überlegungen gegeben haben, für Zuma eine vorzeitige Entlassung oder einen Hausarrest auszuhandeln, was mittlerweile undenkbar scheint. "Man kann das nicht diskutieren, während das Land brennt", sagte ein hoher ANC-Vertreter der Wochenzeitung Mail & Guardian.
Gegen Zuma wurde am Montag in einem weiteren Korruptionsprozess verhandelt. Es sind entscheidende Tage für Südafrika, es geht darum, ob die Kultur der Straflosigkeit zu Ende geht, die das Land seit Jahren plagt. Präsident Cyril Ramaphosa hat in den vergangenen Jahren einen mühsamen Wiederaufbauprozess von Polizei und Staatsanwaltschaft begonnen, die in den Jahren unter Zuma systematisch ausgehöhlt worden waren, um das Land ungestört auszuplündern.
Zumas Leute sitzen teilweise noch immer in den Behörden und der Regierung und haben den Kampf noch nicht aufgegeben. Es habe keinen Umsturzversuch gegeben, Kriminelle hätten ein legitimes Thema gekapert, sagte Staatssicherheitsministerin Ayanda Dlodlo. Sie gehört zum Lager Zumas und sitzt vor allem deshalb weiter im Kabinett, weil Präsident Ramaphosa zwar das Land von der Korruption befreien, dabei aber auf keinen Fall die Einheit des ANC gefährden will. Die Frage ist, ob er künftig weiter solche Zugeständnisse machen kann. Sonst bricht vielleicht nicht der ANC auseinander, dafür aber das ganze Land.