Streit um Energiewende:Länder üben harsche Kritik an Gabriels Ökostrom-Plänen

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"Volkswirtschaftlich unsinnig", "starke Zweifel", "unzureichend": Bundeswirtschaftsminister Gabriel stößt mit seinem Reformvorschlag für die Energiewende auf Widerstand - auch aus SPD-geführten Ländern.

Es ist sein wichtigstes Projekt: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat ein Eckpunkte-Papier für eine erste Reform bei der Energiewende vorgelegt. Aus den Bundesländern kommt teils massive Kritik an den Ökostromplänen. Sie sehen ihre eigenen Ausbaupläne für erneuerbare Energien in Gefahr, befürchten wirtschaftliche Nachteile und bezweifeln, dass sich mit Gabriels Vorstoß die Energiepreise stabil halten lassen.

Am Mittwoch will Gabriel seine Pläne bei der Kabinettsklausur der Bundesregierung in Meseberg vorstellen. Beim Energiekongress des Handelsblatts in Berlin warnte er vor einer Überforderung der Wirtschaft: Angesichts jährlicher Kosten der Ökostromförderung von 22 bis 24 Milliarden Euro "sind wir an der Grenze angekommen, was wir unserer Volkswirtschaft zumuten können".

Gabriels Eckpunkte für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sehen unter anderem vor, die Förderung für windstarke Standorte zu senken. Gabriel will, dass an Land pro Jahr nur noch Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 2500 Megawatt neu ans Netz gehen, das entspricht etwa 1000 Windrädern. Werden es mehr, wird die Förderung automatisch gekürzt. Zusätzlich soll die Vergütung im windstarken Norden um bis zu 20 Prozent gekappt werden. Vorschläge für einen Abbau der Industrieausnahmen bei der Ökostromumlage enthält das Papier nicht.

Diese Pläne stoßen nun auf Kritik. Die Abstriche beim Windstromausbau seien "volkswirtschaftlich unsinnig", sagte etwa Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). "Da wird man noch über einige Details noch sprechen müssen", erklärte Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering dem Nachrichtenportal Spiegel Online. Nachbesserungsbedaf sieht auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): "Ich habe Bedenken, dass Investoren erst relativ spät wissen, wie hoch die staatliche Förderung ausfallen wird." Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) fordert eine stärkere Berücksichtigung der Offshore-Windenergie. Es sei falsch, diese als Preistreiber der Energiewende zu betrachten, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Das werden wir aus Sicht des Nordens deutlich in die Diskussion einbringen."

"Starke Zweifel"

Widerstand kommt auch von Grünen Landespolitikern. Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) räumte zwar ein, dass es vereinzelt eine Überförderung erneuerbarer Energien geben möge. Für sein Land gelte aber: "Wir brauchen hier nicht weniger, sondern mehr Ökostrom aus der Windenergie. Daher werden wir auch an unseren Ausbauzielen festhalten." Er habe "starke Zweifel", dass sich mit Gabriels Plänen der Anstieg der Strompreise in den Griff bekommen lasse.

Remmel verwies auf die fehlende Mehrheit der großen Koalition im Bundesrat. Dies "erhöht den Einfluss der sieben Länderregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind (...) und diese sind natürlich gewillt, ihren Gestaltungsspielraum auch zu nutzen", kündigte er an.

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) bemängelte, dass die Auswirkungen auf den Ausbau der Windkraft in Süddeutschland unklar blieben. Grün-Rot will bis 2020 die Zahl der Windräder in Baden-Württemberg auf 1200 verdreifachen und dann zehn Prozent der Bruttostromerzeugung aus Windenergie sicherstellen.

Der Regierungschef des Braunkohlelandes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), unterstützt zwar grundsätzlich Gabriels Energiepläne. Gesprächsbedarf sieht er allerdings unter anderem noch zur künftigen Rolle konventioneller Kraftwerke. Niedersachsens

Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring sagte der Welt, das Land könne einer deutlichen Begrenzung der Biomasse nicht zustimmen. "Biomasse ist für uns ein wichtiges Standbein unserer Energieversorgung, weil sie anders als Solar- und Windkraft speicherbare Energie liefert."

Auch Bayerische Interessen sind in Gabriels Papier berührt:

So will der SPD-Politiker den Ausbau der Biomasse weitgehend stoppen, weil Biomasse die teuerste Form der erneuerbaren Energie ist. Die bayerischen Pläne sahen bislang aber einen kräftigen Ausbau der Bioenergie vor. An diesem Dienstag befasst sich das bayerische Kabinett mit den Reformplänen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, bezweifelt die Wirksamkeit von Gabriels Vorschlägen: "Aus meiner Sicht ist nicht zu erwarten, dass der Kostenanstieg bei der EEG-Umlage beendet ist", sagte er der Stuttgarter Zeitung.

Lob erhielt Gabriel vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): Präsident Hans Peter Wollseifer sicherte dem Wirtschaftsminister in der Neuen Osnabrücker Zeitung bei den meisten Eckpunkten Unterstützung zu.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, sagte der Passauer Neuen Presse: "Die vorgelegten Eckpunkte sind zumindest der Anfang einer überfälligen Kurskorrektur bei der Energiewende." Sinkende Strompreise seien dadurch aber nicht zu erwarten.

Kritik aus der EU

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hält die Reformvorschläge ebenfalls für unzureichend. Der Strompreis bleibe trotzdem einer der höchsten der Welt, sagte er dem Handelsblatt. Die Bundesregierung müsse deshalb darüber nachdenken, "in einem zweiten Schritt die Steuerlast auf Strom zu reduzieren". Sie mache momentan mehr als 50 Prozent des Strompreises aus.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy forderte die 28 europäischen Regierungen in einem Brief auf, sich gegenseitig über Beschlüsse in der Energiepolitik zu informieren. "Es wäre außerordentlich hilfreich, wenn Sie die Partner über jeden wichtigen aktuellen oder geplanten Beschluss in der Energiepolitik informieren könnten, der andere Mitgliedstaaten beeinflusst, damit es möglich ist, die Koordination unter den Partnern zu verbessern", hieß es in dem Schreiben.

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