Angela Merkel hat im Herbst, da war die große Koalition mit der SPD noch lange nicht beschlossene Sache, gesagt, dass die Energiewende das große Projekt der neuen Regierung sein werde. Die Kanzlerin, die sonst nicht dafür bekannt ist, unüberlegt vorzupreschen, war sich wohl sicher genug mit diesen Worten. Sie ahnte wohl, dass jede Koalition zwangsläufig daran gemessen wird, ob sie Fortschritte bei der Energiewende zustandebringt.
Zu unzufrieden waren sämtliche Beteiligten mit dem, was in den vier Jahren unter Schwarz-Gelb erreicht wurde. Die Verbraucher, weil der Strompreis immer stärker gestiegen war, während die großen, energiefressenden Industrieunternehmen von umfangreichen Ausnahmen profitierten. Die Solarbranche, weil die Regierung in einem Anfall von Aktionismus die Förderung zusammengestrichen hatte, ohne dass dahinter ein vernünftiges Konzept stand. Und die Fachpolitiker, die sich ärgerten, dass ein in der Bevölkerung breit akzeptiertes Projekt diskreditiert wird, bloß weil die Detailregelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) derart kompliziert und verkorkst sind.
Vielleicht ist diese Unzufriedenheit der Grund dafür, warum Wirtschafts- und Energiewendeminister Sigmar Gabriel (SPD) jetzt aufs Tempo drückt. Vier Wochen nach seinem Amtsantritt legt er ein Eckpunkte-Papier für eine erste Reform bei der Energiewende vor. Sein Hauptziel: Die Förderkosten bei den erneuerbaren Energien deutlich drücken.
Gabriels Zeitplan für die Durchsetzung der Reform ist ehrgeizig: Dem Vernehmen nach hat der Vizekanzler das Papier schon an mehrere Ministerien zur Ressortabstimmung geschickt. Am kommenden Mittwoch will er die Eckpunkte vom Kabinett absegnen lassen. Dann trifft sich die Bundesregierung auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin zur Klausur.
Ein paar Detailfragen sind noch unklar, zum Beispiel das Ausmaß der Kürzungen bei Windrädern an Land. Doch innerhalb der kommenden Wochen will Gabriel auch dafür eine Lösung gefunden haben. Und dann soll es schnell gehen.
Am 9. April will der Wirtschaftsminister das Gesetz für die Reform des EEG-Gesetzes im Kabinett einbringen. Am 26. oder 27. Juni soll dann der Bundestag das Gesetz beschließen, am 11. Juli der Bundesrat zustimmen und am 1. August, so Gabriels Plan, tritt die Novelle schließlich in Kraft.
Was hat Gabriel konkret vor? Die wichtigsten Punkte seines Papiers:
Niedrigere Vergütungen: Von bisher durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde für Windräder, Solar- und Biogasanlagen soll die Vergütung im Jahr 2015 durch die Reform auf im Schnitt nur noch zwölf Cent pro Kilowattstunde sinken.
Gebremster und stärker gesteuerter Ausbau: Bisher ging die Energiewende insbesondere auf dem Strommarkt schnell. Schon bei knapp 25 Prozent liegt hier der Anteil der erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2025 streben Union und SPD 45 Prozent an. Doch Gabriel will die Förderung nach dem Gießkannenprinzip zurückfahren und macht stattdessen konkrete Vorgaben für jede einzelne Erzeugungsart. Die Kapazität von Windanlagen an Land und Solaranlagen darf demnach nur noch um je 2500 Megawatt pro Jahr ausgebaut werden. Windräder auf See bekommen ein Ausbauziel von 6,5 Gigawatt bis ins Jahr 2020, das bedeutet, dass pro Jahr ungefähr ein bis zwei Offshore-Windparks errichtet werden. Für Bioenergie blieben nur noch 100 Megawatt jährlicher Ausbau.
Höherer Druck auf Ökostrom-Erzeuger: Geht es nach Gabriel, müssen weit mehr Betreiber von Solar- und Windkraftwerken als im Koalitionsvertrag vorgesehen ihren Strom künftig selber vermarkten. Bisher haben sie auf 20 Jahre garantierte Festvergütungen bekommen. Ihr Strom wird nach den derzeit gültigen Regelungen von den Netzbetreibern eingesammelt und an der Strombörse verkauft. Wegen der festen Vergütungen haben die Erzeuger aber kein Interesse, den bestmöglichen Preis zu erzielen.
Weniger Privilegien für die Großverbraucher: Die Ausnahmen für die Industrie sollen drastisch gestrichen werden. Es gehe hier um eine Summe zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro, heißt es aus der Koalition.
In den Reihen der CDU werden Gabriels Reformpläne positiv aufgenommen. "Der Zeitplan ist knackig. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Es sind dringend grundlegende Reformen notwendig", sagt Thomas Bareiß, der Energiepolitik-Koordinator in der Unionsfraktion. "Zukünftig muss sich der Windzubau auf gute Standorte konzentrieren. Wo es keinen Wind gibt, macht auch kein Windrad Sinn", so Bareiß. Die Pläne für mehr Wettbewerb im Ökostrom-Sektor gingen in die richtige Richtung. Der Neubau von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien müsse mit einer Mengensteuerung stärker auf den Netzausbau abgestimmt werden.
Auch Verbraucherschützer begrüßen Gabriels Papier: "Es besteht die klare Erwartung, dass durch den ersten Reformschritt die Strompreise bis 2015 mindestens stabil bleiben", sagt Holger Krawinkel, der Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Ein weiterer Anstieg der Ökostrom-Umlage, die vor allem von den Stromkunden bezahlt werde, sei nicht akzeptabel.