Streit um Afghanistan-Strategie:Attacke vom General a.D.

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Vor der Afghanistan-Konferenz kritisiert Generalinspekteur Kujat den Strategie-Schwenk von Schwarz-Gelb: Die Regierung erhöhe das Risiko für deutsche Soldaten aus politischen Gründen.

Unmittelbar vor Beginn der Afghanistan-Konferenz in London hat der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, massive Kritik an der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung geübt.

Streit um die Folgen der Neuausrichtung: Wie riskant ist die neue Afghanistan-Strategie der Bundesregierung? (Foto: Foto: ddp)

Die schwarz-gelbe Koalition setze die Soldaten mit ihren jüngsten Entscheidungen "aus innenpolitischen, koalitionstaktischen Gründen für mehrere Jahre einem erhöhten Risiko aus - in der Hoffnung, die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte werde ab 2011 einen geordneten Rückzug erlauben", sagte Kujat der Stuttgarter Zeitung.

Er warnte vor weiteren Anschlägen: "Die Folgen werden bald zutage treten", sagte Kujat. Er bezweifelte, dass mit der veränderten Vorgehensweise das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung zurückzugewinnen sei.

Die Bundesregierung plant, das Bundeswehr-Kontingent für Afghanistan um bis zu 850 Soldaten aufzustocken, davon 500 Soldaten als ständige Verstärkung und 350 als Reserve. Zudem soll die deutsche Aufbauhilfe für Afghanistan auf 430 Millionen Euro fast verdoppelt werden.

"Wenn wir 2014 rausgehen wollen, müssen wir zuvor wie die Amerikaner eine große zusätzliche Anstrengung unternehmen", sagte er. Dazu sei die Bundesregierung offenkundig nicht bereit. "Man kann jedoch nicht einfach die Flucht ergreifen, sonst ist die seit acht Jahren gepflegte Argumentation hinfällig, wonach auch die deutsche Sicherheit davon abhängt, was wir dort erreichen."

"Willkürlicher Abzugstermin"

Mit Blick auf die Afghanistan-Konferenz in London bezeichnete der einst ranghöchste Soldat der Bundeswehr und Vorsitzende des Nato-Militärausschusses die Abzugspläne zudem als "Hinweis für unsere Verbündeten, dass wir bereit sind, die Solidarität mit ihnen aufzukündigen, indem wir den Abzugstermin nicht mehr wie sie an den Ergebnissen messen, sondern ihn willkürlich setzen".

Das sei etwas, was die Verbündeten nicht verstünden und was Besorgnisse über die Zuverlässigkeit der Deutschen in künftigen Krisen und Konflikten wecken müsse. Vertreter von etwa 60 Staaten und zehn internationalen Organisationen beraten von diesem Donnerstag an in London über das weitere Vorgehen in Afghanistan.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verteidigte abermals die neue deutsche Strategie. Der geplante Einsatz von Soldaten in der Fläche führe "nicht zwingend zu einer höheren Gefährdung", sagte er im ZDF. Guttenberg räumte aber ein: "Der Einsatz in Afghanistan ist gefährlich. Da gilt es, nicht um den heißen Brei herumzureden."

Guttenberg fordert vorläufige Bilanz

Der Verteidigungsminister lehnte es erneut ab, ein konkretes Datum für den Abzug der letzten deutschen Soldaten zu nennen. "Man würde die Gefährdung nicht nur der Afghanen, sondern auch der Soldaten ab einem gewissen Zeitpunkt eher erhöhen, wenn man ein Enddatum setzen würde."

Er sei aber dafür, ein Zeitfenster für den Beginn des Abzugs zu setzen. "Da wollen wir mit dem Jahr 2011 beginnen, erste Schritte zu machen, auch Soldaten wieder nach Hause zu bringen." Dies sei ein "ambitionierter Ansatz".

Für die Konferenz forderte er eine vorläufige Bilanz des Einsatzes der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan. "Es war nicht alles vergebens, aber es gab auch viele Rückschläge in den vergangenen Jahren", sagte er. Diese müssten offen angesprochen und analysiert werden. Das gehe aber nicht ohne die Afghanen: "Wir können keinen Krieg alleine militärisch gewinnen. Das ist eine Illusion."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erhofft sich von dem internationalen Treffen ein neues Kapitel in der Afghanistan-Politik. "Wir wollen einen Wendepunkt schaffen," sagte er vor Beginn der Verhandlungen. Man wolle den Akzent stärker auf den politisch-zivilen Wiederaufbau setzen und damit eine Abzugsperspektive für die internationalen Truppen schaffen.

Nach Einschätzung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai wird das Land noch bis zu 15 Jahre auf die Hilfe des Westens angewiesen sein. Was die Ausbildung und die Ausrüstung der afghanischen Sicherheitskräfte angehe, "werden fünf bis zehn Jahre genug sein", sagte Karsai der BBC. Bei der finanziellen Ausstattung werde es jedoch "zehn bis 15 Jahre" dauern, bis Afghanistan selbst dafür aufkommen könne, fügte Karsai hinzu.

© AFP/APD/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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