Strafvollzug:Im Knast Ihrer Majestät

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Ein Wachmann vor dem Her Majesty's Prison im Birminghamer Stadteil Winson. (Foto: Getty Images)
  • Großbritannien gehört weltweit zu den Staaten, die ihren Strafvollzug am stärksten privatisiert haben.
  • Die Zustände in einem Gefängnis in Birmingham sind so katastrophal, dass die britische Regierung dem Betreiber nun die Verantwortung entzogen hat.
  • Die britische Regierung hatte in den vergangenen Jahren das Budget für Gefängnisse zurückgefahren, die Zahl der Insassen jedoch ist gestiegen.

Von Björn Finke, London

Überall Ungeziefer und kaputte Scheiben, auf ungeputzten Böden Blut, Erbrochenes und Rattenexkremente. Wärter schließen sich aus Angst vor den Häftlingen in ihren Zimmern ein. Gefangene können Drogen nehmen oder andere Insassen angreifen, ohne Strafen befürchten zu müssen: Die Zustände in Her Majesty's Prison Birmingham sind derart katastrophal, dass die britische Regierung dem Betreiber, der Dienstleistungsfirma G4S, nun die Verantwortung entzogen und einen neuen Anstaltsleiter eingesetzt hat. Der Horrorknast, der 1200 Menschen beherbergen kann, wird für mindestens ein halbes Jahr direkt von der Gefängnisbehörde des Vereinigten Königreichs geführt, statt von dem börsennotierten Konzern.

Insgesamt gibt es in England und Wales 123 Gefängnisse - 14 davon werden von G4S und zwei anderen Servicefirmen betrieben. Von den 15 schottischen Anstalten sind zwei in privater Hand. Damit gehört Großbritannien weltweit zu den Staaten, die ihren Strafvollzug am stärksten privatisiert haben. Befürworter sagen, dass Unternehmen Gefängnisse wirtschaftlicher und damit billiger führen, ohne dass die Qualität leidet. Die erste von einem Konzern gemanagte Anstalt im Königreich eröffnete 1992. Und noch nie zuvor musste die Regierung einer Firma die Verantwortung vor Ablauf des Vertrags wieder entziehen. G4S sollte den Standort in Birmingham bis 2026 betreiben.

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Auslöser für den Schritt ist ein Bericht von Peter Clarke, Her Majesty's Chief Inspector of Prisons, also dem obersten Gefängniskontrolleur der Regierung. Er bezeichnet die Anstalt als "das schlimmste Gefängnis", das er je besucht habe. Die Luft in einem Gebäudeflügel sei so drogengeschwängert gewesen, "dass ich ihn wegen des Effekts, den die Drogen auf mich ausübten, verlassen musste". Dort als Wärter zu arbeiten oder als Häftling zu leben, gefährde die Gesundheit, klagt er.

Die Häftlingszahlen sind gestiegen, das Budget aber gekürzt

Die Oppositionspartei Labour fordert, nach diesem Skandal keine weiteren Gefängnisse zu privatisieren. Doch die konservative Regierung erwidert, dass die anderen vier Anstalten, die G4S leitet, gut geführt würden. Das Chaos in Birmingham sei demnach kein Beleg für ein grundsätzliches Problem mit Privatisierungen.

Tatsächlich schnitten bei Kontrollen auch staatlich betriebene Gefängnisse übel ab. Die Zustände in Birmingham sind daher eher Ausdruck einer allgemeinen Krise des Strafvollzugs. Als die Konservativen 2010 an die Macht kamen, kappten sie das Budget für Gefängnisse und die Zahl der Wärter. Erst seit Kurzem wird wieder mehr investiert, weil klar ist, dass das Sparen zu weit ging. Denn die Zahl der Sträflinge ist kräftig gestiegen. In England und Wales sitzen 83 000 Menschen ein, vor 30 Jahren waren es nicht einmal 50 000. Bezogen auf die Bevölkerungsgröße hat kein Land Westeuropas mehr Häftlinge. Härte gegen Kriminelle zu zeigen, kommt eben beim Wähler an.

Die Folge des Sparkurses sind überfüllte Gefängnisse mit vielen unerfahrenen Wärtern, da die altgedienten oft gegangen sind. Zugleich nehmen die Drogenprobleme zu, seit ein neues beliebtes Rauschmittel auf dem Markt ist: sogenanntes Spice, synthetisches Cannabis. In Birmingham darf sich jetzt wieder ein staatlicher Anstaltsleiter mit solchen Schwierigkeiten herumschlagen.

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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