Familienpolitik:Mehr Geld für mehr Kinder

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Den Kinderzuschlag beziehen bislang nur etwa 250 000 Kinder, obwohl 800 000 einen Anspruch hätten. Künftig wären zwei Millionen Kinder berechtigt. (Foto: Georg Wendt/dpa)

Einprägsamer Name, komplizierter Inhalt: Was Ministerin Giffey mit ihrem "Starke-Familien-Gesetz" ändern will. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Die SPD-Politikerin Franziska Giffey hat als Bundesfamilienministerin eines bereits erreicht: Man erkennt ihre Gesetze schon am Namen. Auf das "Gute-Kita-Gesetz", das der Bundestag Ende des vergangenen Jahres verabschiedet hat, folgt nun das "Starke-Familien-Gesetz". Giffey stellte es am Mittwoch zusammen mit Sozialminister Hubertus Heil (SPD) in einem Familienzentrum im Berliner Stadtteil Wedding vor. Und für alle, denen Giffeys Stil noch nicht aufgefallen war, erläuterte Heil: Das Gesetz heiße so, "weil Franziska Giffey damit angefangen hat, endlich Gesetze so zu nennen, dass die Menschen sich den Namen merken können". Sich die Inhalte des Gesetzes zu merken, dürfte freilich schwieriger werden: Was steht drin?

Was ist die wichtigste Neuerung?

Im Zentrum steht die Reform des Kinderzuschlags. Diese Sozialleistung bekommen Familien, die sonst in die Grundsicherung rutschen würden, weil das Einkommen zwar für zwei Erwachsene reicht, nicht aber für eine Familie mit Kindern. Derzeit liegt der höchstmögliche Kinderzuschlag bei 170 Euro im Monat, künftig werden es bis zu 185 Euro sein. Außerdem wird der Zugang zu der Leistung gelockert: Familien, die statt des Kinderzuschlags eigentlich Hartz IV beantragen müssten, das aber nicht wollen, bekommen den Zuschlag in Zukunft trotzdem. Jedenfalls dann, wenn ihr Gesamteinkommen höchstens 100 Euro unter dem Hartz-IV-Anspruch liegt.

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Ein höherer Kinderzuschlag und mehr Geld für Schulhefte: So sollen einkommensschwache Eltern besser unterstützt werden. Der Kinderschutzbund kritisiert das Gesetz als zu bürokratisch und spricht von "Realsatire".

Gibt es noch weitere Verbesserungen?

Andere Einnahmequellen werden künftig nicht mehr so streng mit dem Kinderzuschlag verrechnet. Das gilt zum Beispiel für Unterhaltszahlungen. Sie werden nur noch zu 45 statt zu 100 Prozent angerechnet, jedenfalls bis zu einer Obergrenze von 100 Euro im Monat. Außerdem fällt der Kinderzuschlag nicht mehr schlagartig weg, wenn Eltern ein bestimmtes Einkommen erreichen. Stattdessen schmilzt er mit steigendem Einkommen ab, und das mit einer geringeren Rate als bisher; nur 45 statt 50 Prozent des Einkommens oberhalb der Anspruchsgrenze werden verrechnet.

Was gehört noch zu dem Paket?

Neben dem Kinderzuschlag, für den formal Familienministerin Giffey zuständig ist, wird auch das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket reformiert. Das fällt in die Zuständigkeit von Sozialminister Heil. Dahinter verbergen sich Sachleistungen an Familien mit kleinem Einkommen. Eingeführt wurden diese Leistungen Anfang 2011. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Hartz-IV-Sätze für Kinder deren Bildungs- und Teilhabebedarf nicht decken. Die damalige Bundesregierung einigte sich darauf, dieses Manko durch Sachleistungen auszugleichen. Allerdings galt das Paket stets als äußerst bürokratisch.

Was ändert sich jetzt?

Zum Schuljahresbeginn bekommen die Familien mehr Geld für Schulranzen, Stifte, Mäppchen, Ordner und alles andere, was Schulkinder so brauchen. Die Leistung steigt um die Hälfte auf 150 Euro. Auch der Eigenanteil der Eltern von einem Euro für das Mittagessen in Schule und Kita fällt weg, ebenso der für die Schülermonatskarte. Nachhilfe wird in Zukunft nicht erst möglich, wenn die Versetzung offiziell gefährdet ist. Außerdem sollen Eltern nicht für jede der Leistungen eigene Anträge stellen müssen. Grundsätzlich kann in Zukunft teilweise auch Geld die Sachleistung ersetzen. Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, sollen Schulen darüber hinaus Leistungen für mehrere Kinder gesammelt mit dem zuständigen Träger abrechnen können, etwa für Schulausflüge.

Wen erreichen die Leistungen?

Den Kinderzuschlag beziehen bislang nur etwa 250 000 Kinder, obwohl 800 000 einen Anspruch hätten. Künftig wären zwei Millionen Kinder berechtigt. Das Bildungs- und Teilhabepaket steht allen Familien zu, die Hartz IV, Sozialhilfe, Asylleistungen, Wohngeld oder den Kinderzuschlag bekommen.

Wann treten die Änderungen in Kraft?

Zunächst müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen; geplant ist, dass die Novelle des Bildungs- und Teilhabepakets zum 1. August 2019 in Kraft tritt, die Erhöhung des Kinderzuschlags und die weniger strenge Anrechnung von Unterhaltszahlungen einen Monat früher. Die anderen Neuerungen rund um den Kinderzuschlag sind von 1. Januar 2020 an geplant.

Was kostet das Starke-Familien-Gesetz?

Im Entwurf heißt es, vom 1. Juli 2019 bis Ende 2021 kosteten die Änderungen beim Kinderzuschlag Bund, Länder und Kommunen 999 Millionen Euro. Hinzu kämen von August 2019 bis Ende 2021 rund 542 Millionen Euro für die höheren Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Im Gegenzug rechnet die Regierung mit niedrigeren Verwaltungskosten wegen der bürokratischen Erleichterungen.

Gibt es Alternativen?

Schon lange ist immer wieder im Gespräch, eine eigene Kindergrundsicherung einzuführen. Die Grundidee ist, dass Kinder unabhängig vom Einkommen und der Lebenssituation ihrer Eltern sozial abgesichert werden. Allerdings sind die bisherigen Vorschläge zu einer eigenständigen Kindergrundsicherung vage. Meist ist die Rede davon, verschiedene Sozialleistungen für Kinder zusammenzuführen. Das Ziel ist, den am Existenzminimum orientierten Grundbedarf von Kindern durch eine einzige Transferleistung abzudecken.

© SZ vom 10.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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