Bundeshaushalt 2021:Das nächste Regierungsbündnis muss es richten

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Wo wird künftig gespart? Und wofür Geld ausgegeben?Darüber wird der Bundestag nicht erst im kommenden Jahr heftige Diskussionen führen. (Foto: dpa)

Das Staatsdefizit ist coronabedingt gewaltig. Der Wahlkampf 2021 wird sich auch daran entscheiden, wer die beste Antwort darauf findet. Die alten Versprechen jedenfalls fruchten nicht mehr.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Das Bundeskabinett hat an diesem Mittwoch den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr verabschiedet. Das ist eine gute Nachricht für alle, die von Anfang an gegen die Neuauflage der großen Koalition waren. Denn CSU, CDU und SPD sind nun am Ende ihres Regierungsbündnisses angelangt. Die große Koalition verabschiedet sich - pandemiebedingt - mit einer historisch hohen Neuverschuldung von fast hundert Milliarden Euro. Alles, was jetzt folgt, muss das nächste Regierungsbündnis richten, das Ende 2021 seine Arbeit beginnen wird.

Der anstehende Wahlkampf wird einer mit Wumms sein, um im Sprachgebrauch des sozialdemokratischen Finanzministers Olaf Scholz zu bleiben. Der heftige Streit ist in der Finanzplanung angelegt, er wird sich um ein schlichtes Wort drehen: Handlungsbedarf. Das liest sich unspektakulär, ist aber das Gegenteil. Es geht um ungedeckte Milliardenschecks für die Jahre bis 2024 und damit um die Frage, wie die tiefroten Löcher im Haushalt gefüllt werden sollen, in die jetzt die Koalitionäre schauen.

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Es ist verständlich, dass sich die Koalition um die Antwort darauf herummogeln will, sie muss ja die letzten Meter der Legislaturperiode schaffen. Das Mogeln ist auch ein Indiz dafür, dass sich an der Frage der ungedeckten Ausgaben die Programme von CDU, CSU, SPD, Grünen, Linken, AfD und FDP scheiden werden. Soll man massiv sparen und kürzen? Steuern und Abgaben deutlich erhöhen? Oder die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse bis 2024 aussetzen und hohe Schulden machen? Klar, dass jede der Ideen je nach Wählergruppe als Zumutung empfunden wird. Aber weil sich eine künftige Koalition nur entlang der Antworten darauf finden wird, deutet alles auf hitzige Debatten hin.

Olaf Scholz ist in der komfortablen Lage, diesen Wahlkampf als Bundesfinanzminister angehen zu können. Keiner kennt die Innenperspektive der Finanzplanung so gut wie der Kandidat, den die Sozialdemokraten ins Kanzleramt schicken wollen. Das hat ihm schon den Vorwurf eingebracht, sich die Kanzlerschaft erkaufen zu wollen, weil er seinen Parteilinken weit entgegenkäme und so massiv Schulden mache, dass nirgendwo auch nur ein Cent gespart werden muss. Bestätigt fühlen sich dabei all jene, die den Sozialetat des Bundesarbeitsministers anschauen - rund die Hälfte des aufgepumpten Bundesetats.

Man kann das freilich auch anders sehen. Das Coronavirus hat die Haushaltsdaten dramatisch einbrechen lassen. Exporte: historischer Tiefstand. Bruttoinlandsprodukt: historischer Einbruch. Steuereinnahmen: größter Einbruch. Privater Konsum: sinkt trotz temporärer Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes und trotz eines Kinderbonus. Verfügbare private Einkommen: runter um drei Prozent. Investitionen in Ausrüstungen: sinken um 16 Prozent. Das sind Zahlen, wie sie die Bundesrepublik seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat. Sie haben Scholz wenig Freiheit gelassen bei der Haushaltsplanung. Er muss Rekordschulden machen, um alle coronabedingten Mehrausgaben zu finanzieren, die die alltäglichen Strukturen aufrechterhalten sollen.

Im Wahljahr 2021 werden Union und SPD damit nicht mehr durchkommen, und das zu Recht. Der Wähler muss wissen, ob weiterhin fast alle am Geldtropf des Staates hängen sollen, ob man sparen oder mehr Steuern wird entrichten müssen. Die Zahlen zeigen, dass es nicht auf ewig so weitergehen kann wie derzeit, wo der Staat für alles aufkommt. Olaf Scholz hat auch hier einen Vorteil. Weil er die Zahlen kennt und schon als Kandidat ausgerufen worden ist, hat er schon mal die Latte aufgelegt. Der Sozialdemokrat will, wenig überraschend, Hochvermögende und Superverdiener stärker zur Finanzierung des Staates heranziehen. Ob das reicht, ist zwar eine ganz andere Frage.

Aber die Vorgabe setzt die politischen Mitstreiter unter Zugzwang. Das gilt vor allem für CDU und CSU, die ja noch immer einen Parteichef und einen Kanzlerkandidaten suchen. Wenn man bislang überhaupt wusste, wofür die Union steht, außer für das Kanzleramt, dann war es die schwarze Null als Symbol soliden Haushaltens. Das ist absehbar verloren. Und selbst die Schuldenbremse kann 2022 nur reaktiviert werden, wenn massiv gespart wird oder Steuern erhöht werden. Beides ist kaum geeignet, Wähler zu gewinnen. Und noch weniger, um die Grünen als Koalitionspartner zu überzeugen, die schon vor Corona darauf gedrungen haben, die Schuldenbremse neu zu justieren. Die Union wird sich neue Symbole einfallen lassen müssen, um nicht auf die FDP angewiesen zu sein, die Steuersenkungen und dem Abbau von Subventionen das Wort redet.

Olaf Scholz wird es gelegen kommen, dass die politische Konkurrenz sich noch sortieren muss. Aber auch er steht unter Zugzwang: Lässt seine Arbeit nicht bald die Zustimmungswerte für die SPD steigen, hat er es später umso schwerer.

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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