SPD in Nordrhein-Westfalen:Das nächste Eigentor

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Hannelore Kraft hat mit ihrem Hartz-IV-Vorstoß gegen die oberste Regel erfolgreicher Wahlkämpfer verstoßen. Damit hat die SPD-Kandidatin womöglich ihre Wahlchancen verspielt.

S. Höll

In acht Wochen wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Und was machen die Sozialdemokraten, die an Respekt gewonnen und zu ihrer eigenen Überraschung sogar auf eine Rückkehr an die Macht hoffen durften?

Sie müssen in Einzelgesprächen, vor Kameras und Mikrophonen, erklären, warum sie und insbesondere ihre Spitzenkandidatin Hannelore Kraft keine Anhänger der törichten Sozialstaatskampagne von Vize-Kanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle sind.

Demonstration der großen SPD-Schwäche

Die oberste Regel erfolgreicher Wahlkämpfer lautet, mit einfachen und vor allem verständlichen Botschaften zu werben und die eigene Anhängerschaft nicht zu verschrecken. Kraft hat gegen dieses Gebot verstoßen, wenngleich unfreiwillig.

Sie will Hartz-IV-Empfänger nicht zu gemeinnütziger Zwangsarbeit heranziehen. Was sie will, nämlich bessere Offerten für schwervermittelbare Arbeitslose, verstanden Gewerkschaften, Sozialverbände, Grüne, Linke, Unionisten und die Öffentlichkeit, wenn überhaupt, erst Tage später.

Für jede andere Partei wäre ein solcher Fehltritt im Wahlkampf eine Belastung. Für die SPD in Nordrhein-Westfalen ist es ein Debakel.

Um die Wahl im Mai einigermaßen respektabel zu bestehen, muss sie Heerscharen von Anhängern zurückgewinnen, die sich aus Wut über die Hartz-Reformen vor fünf Jahren von ihr abgewendet haben. Dass jene Enttäuschten für eine Partei votieren, die ausgerechnet von der Westerwelle-FDP für klare Worte zum Arbeitsmarkt beglückwünscht wird, können selbst die allergrößten Optimisten nicht erwarten.

Kraft hat mit ihrem verunglückten Vorstoß ihre Aussichten für die Landtagswahl am 9. Mai gemindert, vielleicht sogar verspielt. Und sie hat, abermals unfreiwillig, eine der großen Schwächen der Sozialdemokraten demonstriert. Dort, wo sie in der Opposition ist, sei es in Nordrhein-Westfalen, sei es im Bund, kann sie aus eigener Stärke nicht an Attraktivität gewinnen.

In Düsseldorf konnten Kraft und ihre Leute davon profitieren, dass Schwarz-Gelb im Bund lautstark stritt und die NRW-CDU eine Affäre nach der anderen lieferte. Sobald die politische Konkurrenz nur ein wenig innehält und die SPD selbst für Aufmerksamkeit sorgen muss, bringt sie sich selbst in die Bredouille.

So auch der Vorsitzende Sigmar Gabriel, der im Furor gegen das Sponsorengebaren der NRW-CDU ebenso lautstark wie erfolglos den Einsatz von Staatsanwälten verlangte und sich dann in unhaltbare Vorwürfe gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert verstieg.

Im Bund hat sich die SPD mit der Oppositionsrolle abgefunden, doch noch beherrscht sie diesen Part nicht. Knapp sechs Monate nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl ist ihr daraus noch kein Vorwurf zu machen. In Nordrhein-Westfalen beweisen die Sozialdemokraten allerdings, dass man zum Studium dieser Rolle manchmal mehr als fünf Jahre braucht.

© SZ vom 10.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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