SPD:Gabriel muss um Vertrauen werben

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Der designierte SPD-Chef erhält bei der Nominierung 77,8 Prozent. Die Parteilinken Wowereit und Nahles werden abgestraft. Andere in der Partei sprechen von einem Putsch.

Susanne Höll, Berlin

Der künftige SPD-Parteispitze unter dem designierten Vorsitzenden Sigmar Gabriel kann zunächst nur mit verhaltener Unterstützung der sozialdemokratischen Führungsgremien rechnen. Bei einer geheimen Abstimmung über die Kandidaten für den Parteivorsitz im SPD-Vorstand erhielt Gabriel am Montagabend in Berlin 28 von 36 abgegebenen Stimmen und damit 77,8 Prozent Zustimmung.

Umräumen im WiIlly-Brandt-Haus: Bei allen Veränderungen will der designierte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Einheit der Partei erhalten. (Foto: Foto: ddp)

Deutlich schlechter schnitten die zur Parteilinken zählenden Andrea Nahles und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ab. Wowereit, der als neuer Vize in die Spitze aufrücken soll, kam nur auf eine Zustimmung von 61,1 Prozent, Nahles, die bislang stellvertretende Vorsitzende ist und künftig den Posten der Generalsekretärin übernehmen soll, kam auf 66,6 Prozent.

Die drei anderen Kandidaten für den Vize-Vorsitz, die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft, der scheidende Arbeitsminister Olaf Scholz und die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, erhielten eine Zustimmung von 86,1 Prozent und schnitten somit besser ab als Gabriel. Dieser sprach von einem "ehrlichen Ergebnis". Er selbst hatte die geheime Abstimmung im Vorstand beantragt, in dem einige, darunter der Energieexperte Hermann Scheer, kritisiert hatten, dass die neue Führungsmannschaft in kleinen Kreisen zusammengestellt worden war. Scheer sprach von einem undemokratischen Verfahren. "Quasi fast putschistisch" habe ein kleiner Zirkel in einem "Akt der Selbstnominierung" die Macht an sich gerissen, wetterte Scheer vor der Sitzung.

In Vorstandskreisen hieß es, das Abstimmungsergebnis sei ein Zeichen für die Aufregung unter Funktionären über das katastrophale Wahlergebnis und Ausdruck innerparteilicher Querelen. Wowereits Resultat könnte den Forderungen des Berliner Bürgermeisters nach einer Abkehr von bisherigen SPD-Positionen, wie etwa der Rente mit 67 geschuldet sein, mutmaßte man in den Kreisen. Nahles polarisiere seit längerem die Partei, verlautete weiter. Namhafte Vorstandsmitglieder sagten aber, ihnen sei dieses Ergebnis lieber als eine große Zustimmung im Vorstand. Ansonsten hätte es auf dem Parteitag im November in Dresden, auf dem sich die neue Führung zur Wahl stellt, heftige Personaldebatten gegeben. "Es ist besser, die Ventile gehen jetzt auf als im November in Dresden", hieß es.

Gabriel kündigte bei einem gemeinsamen Auftritt mit Noch-Parteichef Franz Müntefering an, er werde gemeinsam mit Nahles in den Landes- und Bezirksverbänden der SPD um Vertrauen werben und über die Gründe der Wahlniederlage sprechen. Er befürwortete für die Zukunft mehr direkte Beteiligungen der Partei an wichtigen Grundsatzentscheidungen und plädierte für eine Öffnung der SPD. Einer vollständigen Abkehr von bisherigen SPD-Positionen erteilte er eine Abfuhr.

Der innerparteilich umstrittenen Äußerung Wowereits, dass er eine Rückkehr zur Rente mit 65 Jahren unterstützen würde, schloss sich Gabriel nicht an. Die SPD habe bereits Angebote für diejenigen, die nicht bis zur Altersgrenze arbeiten könnten und werde noch weitere Offerten machen. Gabriel plädierte auch für einen selbstbewussten Umgang der SPD mit der Linkspartei. "In der Opposition gibt es keine Koalition", sagte Gabriel. Auch erwarte man von der SPD nach dieser Wahlniederlage nicht, dass sie als erstes über Koalitionspartner nachdenke.

Ausdrücklich bekannte sich Gabriel zum Charakter der SPD als Volkspartei. Die SPD müsse sich darum kümmern, wie Wohlstand erwirtschaftet und dann verteilt werden könne sowie Augenmerk auf die Ökologie halten. "Die SPD muss mehr erreichen als die Summe der Vertretung aller Minderheitsinteressen", sagte er. Zugleich betonte er, dass er eine gute Kooperation mit dem neuen Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier anstrebe. Steinmeier sei der Oppositionsführer, sagte er. Auch mit Nahles, mit der er über Jahre hinweg kaum ein Wort gesprochen hatte, wolle er enge und intensive Kontakte pflegen. "Es gibt für uns (Gabriel und Nahles) drei Aufgaben: Zusammenarbeit, Zusammenarbeit, Zusammenarbeit", sagte er.

© SZ vom 6.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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