Notfallversorgung:Die Entlastung der Notaufnahmen ist dringend geboten

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Gesundheitsminister Spahn will eine bessere Versorgungsqualität für Patienten gewährleisten, die wirklich Hilfe brauchen. In der Reform liegt die Chance, die Medizin für alle zu verbessern.

Kommentar von Kristiana Ludwig, Berlin

An jedem Abend, an jedem Wochenende füllen sich in Deutschland die Warteräume der Notaufnahmen. Seit Jahren gehen immer mehr Menschen mit ihren Wehwehchen gleich ins Krankenhaus. Sie kommen nicht mit dem Rettungswagen oder vom Hausarzt - sie kommen einfach spontan in der nächstgelegenen Klinik vorbei.

Im Krankenhaus müssen die Ärzte prüfen, was den Patienten fehlt, hier brauchen sie keinen Termin, und wenn es etwas Ernstes ist, dann steht ein Haus voller Spezialisten und Geräte bereit. So ein Rundumsorglos-Paket ist vielen Patienten ein paar Stunden Wartezeit wert. Zugleich fällt vielen Bürgern keine Alternative zum Krankenhaus ein. Auf den Webseiten der Haus- und Fachärzte steht oft nur der Verweis auf die Notaufnahme. Dass es auch Ärzte gibt, die sich nachts für Hausbesuche bereithalten - daran denken die wenigsten, wenn sie sich krank fühlen. Die bundesweite Notfallnummer 116117 wird viel zu wenig genutzt.

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Der Politik ist schon lange klar, dass hier etwas schiefläuft. Schon die Vorgängerregierung hatte eine grundlegende Reform der Notaufnahmen vereinbart - erst heute, Jahre später, liegt so ein Gesetzentwurf vor. Die Wissenschaft hat seit vielen Jahren auf Probleme hingewiesen. Der Trend zum Krankenhaus belastet nämlich die Klinikärzte, darunter leidet auch die Qualität der medizinischen Versorgung. Häufig sind es medizinische Einsteiger, die sich die Nächte um die Ohren schlagen, um sich verstauchte Knöchel anzusehen oder Bäuche abzutasten. Neben den Patienten im Wartezimmer müssen sie sich auch um die echten Notfälle kümmern: um Menschen, die nach einem Unfall gebracht werden oder mit einem Herzinfarkt. Je kleiner die Klinik, desto größer ist die Verantwortung, die diese Ärzte tragen. Denn oft betreuen sie neben den Neuankömmlingen auch noch die Patienten, die bereits im Krankenhaus liegen und in der Nacht Hilfe brauchen. Notfallärzte stehen oft unter einem immensen Druck.

Weniger Krankenhäuser, dafür in höherer Qualität - das rechtfertigt eine weitere Anfahrt

Deshalb ist der Ansturm auf die Notaufnahmen auch für die Patienten keine gute Entwicklung. Wer mit einer schweren Verletzung in die Klinik kommt, dem kann eine ausgeruhte Ärztin besser helfen als eine unter Dauerstress. Es ist deshalb gut, dass Gesundheitsminister Jens Spahn nun endlich die Notaufnahmen reformieren will. Er will ambulante Ärzte und Klinikmediziner zusammenspannen: mit gemeinsamer Telefonnummer und gemeinsamen Notfallzentren, in denen die Patienten je nach Schwere ihrer Erkrankung entweder in die Klinik geschickt oder von einem niedergelassenen Arzt versorgt werden.

Doch wo neue Strukturen entstehen, müssen alte weichen. Einige kleine Häuser, in denen nur wenige Spezialisten arbeiten, sollen künftig gar keine Notaufnahmen mehr vorhalten. Wissenschaftler fordern schon lange, dass es weniger und dafür größere Kliniken gibt, die höhere medizinische Standards haben. Allerdings liegt die Verantwortung dafür nicht nur beim Bundesgesundheitsminister, sondern vor allem bei den Ländern. Sie müssen ihren Bürgern erklären, warum das kleine Krankenhaus um die Ecke besser geschlossen wird. Und warum, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, Pfleger und Ärzte in größeren Häusern besser helfen können - auch wenn der Weg dorthin weiter ist. Darin liegt die Chance, die Medizin für alle zu verbessern.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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