Sommerinterview:Merkel setzt auf Dialog mit Erdoğan

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Will weiter Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan führen: Angela Merkel (Foto: dpa)
  • Beim Streit um einen Besuch deutscher Abgeordneter auf einer türkischen Luftwaffenbasis müssten weiter Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan geführt werden.
  • Das sagte Kanzlerin Merkel beim Sommerinterview im ZDF.
  • Außerdem sei sie überzeugt, dass Großbritannien am Austritt aus der Europäischen Union festhält.

Im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf weitere Gespräche mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Das Treffen mit Erdoğan am Rande des Nato-Gipfels in Warschau sei "konstruktiv" verlaufen, sagte Merkel im Sommerinterview der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Diese Gespräche müssten nun weitergeführt werden, damit die Abgeordneten die Möglichkeit bekämen, die Soldaten zu besuchen.

Auf die Frage, ob auch ein Abzug der Bundeswehr aus Incirlik in Frage komme, antwortete die Kanzlerin ausweichend. "Jetzt muss man weiter arbeiten, noch ist die Lösung nicht da", sagte Merkel. Aus den Reihen der Koalitionspartner CSU und SPD hatte es zuvor geheißen, dass eine dauerhafte Weigerung der Türkei zur Beendigung der deutschen Beteiligung an dem Nato-Einsatz führen müsse.

Die Bundeswehr ist in Incirlik, unweit der syrischen Grenze, am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat beteiligt. Ende Juni verweigerte die Türkei die Erlaubnis für eine Reise von Verteidigungsstaatssekretär Ralf Brauksiepe mit einer Gruppe von Abgeordneten nach Incirlik. Zuvor hatte der Bundestag die Massaker an Armeniern auf dem Gebiet der heutigen Türkei vor etwa hundert Jahren als Völkermord eingestuft.

Nach Brexit: Kein Verbleib Großbritanniens in der EU

Bei der Frage nach einem Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union nach dem dem Brexit-Votum sagte Merkel, sie sehe dafür keine Möglichkeit. Der nächste Schritt sei, dass London den Austritt aus der EU nach Artikel 50 beantrage. "Ich befasse mich mit den Realitäten und ich gehe davon aus, ganz fest, dass dieser Antrag gestellt wird."

Merkel wies Vorwürfe zurück, dass ihre Politik in Europa mit für die Entscheidung der britischen Bevölkerung verantwortlich sei. Zu Strukturreformen und der Konsolidierung der Haushalte in überschuldeten Mitgliedstaaten habe es in der Eurokrise keine Alternative gegeben. Die Kanzlerin verwies dabei auf die unter ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) in Deutschland eingeleitete Agenda 2010, die zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen geführt habe: "Diesen Weg, den haben wir genommen und den müssen andere auch nehmen."

Beim EU-Referendum der Briten hätten diese Fragen außerdem kaum eine Rolle gespielt, fügte Merkel hinzu. Vielmehr sei es um die Möglichkeit von Menschen aus anderen EU-Ländern gegangen, sich in Großbritannien niederzulassen. Die Freizügigkeit sei allerdings eine Grundvoraussetzung für den europäischen Binnenmarkt, deshalb seien hier auch keine Kompromisse gemacht worden.

In der Flüchtlingskrise habe Europa eine "humanitäre Verantwortung" zur Aufnahme der Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak gehabt, sagte Merkel. Das sei ihre "feste Überzeugung". Außerdem habe Griechenland mit dem Andrang von Flüchtlingen nicht alleine gelassen werden können. Selbstkritik übte die Kanzlerin bei der Bekämpfung der Fluchtursachen, die lange nicht ausgereicht habe: "Da haben wir vielleicht alle miteinander nicht ausreichend genug hingeschaut."

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