Die Fenster in der türkischen Botschaft in Berlin sind längst dunkel, als sich auf dem Platz gegenüber ungefähr 200 Menschen versammeln, um gegen die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel zu demonstrieren. "Wir sind keine Gegner der Türkei", stellt der Bundestagsabgeordnete und Grünen-Chef Cem Özdemir klar, als er ins Mikrofon spricht. Doch die Pressefreiheit müsse geachtet werden.
Die Kundgebung findet auf Initiative des Grünen-Bundestagsabgeordneten Özcan Mutlu statt. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagt, im Fall Yücel gehe es um grundsätzliche Werte. Dass der Journalist jetzt in Untersuchungshaft sitze, sei nicht zu akzeptieren. "Pressefreiheit muss überall gelten und in Deutschland wird dafür aufgestanden", sagt Bartsch.
Der 43-jährige Deniz Yücel war am Montag in der Türkei in Untersuchungshaft genommen worden. Zuvor war er fast zwei Wochen lang in Polizeigewahrsam festgehalten worden. Yücel hat immer wieder kritisch über die türkische Regierung und Präsident Erdoğan berichtet. Nun werden ihm Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen.
"Deniz ist nur einer von vielen", sagt der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. "Wir stehen hier auch für die anderen Journalisten, die in der Türkei in Haft sind. Diese Worte wird in der Botschaft wohl nur noch die Wachmannschaft hören. Doch dass man in Deutschland nicht einverstanden mit der Inhaftierung des Welt-Korrespondenten in der Türkei ist, hatte der türkische Botschafter am Nachmittag auch andernorts vernommen: Das Auswärtige Amt hatte ihn zu einem Gespräch geladen.
"Erdoğan weghupen" beim Autokorso
Fast zeitgleich zur Demonstration vor der Botschaft rollt auch ein Autokorso für Yücel durch Berlin-Mitte. Umringt von Polizei und Presse sind zwischen 100 (laut Polizei) und 150 (den Veranstaltern zufolge) Autos unterwegs. Alle Fahrzeuge sind beklebt mit "Free Deniz" (Befreit Deniz)-Plakaten oder Sprüchen wie "Erdoğan weghupen" und "Wir sind doch nicht zum Spaß hier". Auch ein paar Radfahrer fahren im Korso mit.
Dieser setzt sich langsam unter lautstarkem Hupen in Bewegung. Am Alexanderplatz ist für Straßenbahnen und andere Autos kein Durchkommen mehr. Am Rand stehen Passanten und applaudieren.