Union:Die Kanzlerkandidatur käme für Söder zu früh

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Ein Grußwort von Markus Söder hat gereicht, um das politische Deutschland in Wallung zu versetzen (Foto: picture alliance/dpa)

Vor gut einem Jahr noch heftigst kritisiert, ist der CSU-Chef zum Hoffnungsträger der Union geworden. Doch er weiß genau, dass der Griff nach der Kanzlerschaft zu riskant für ihn wäre.

Kommentar von Wolfgang Wittl

Einmal angenommen, jemand hätte vor gut einem Jahr eine Weltreise angetreten und wäre erst zum Leipziger CDU-Parteitag in der vergangenen Woche zurückgekehrt: Er würde sein Land kaum wiedererkannt haben, jedenfalls nicht am Zustand der Union. Die CDU, lange eine effiziente Machtmaschine, stottert orientierungslos, inhaltsleer und mit ungeklärten Führungsfragen vor sich hin. Die CSU hingegen überrascht als stabiler Motor einer insgesamt instabilen Koalition.

Dabei war es die CSU, die die Bundesregierung und die Unionsgemeinschaft im Sommer 2018 fast zur Implosion gebracht hat - getrieben von der Panik vor einer für sie desaströs endenden bayerischen Landtagswahl. Und dann auch noch das: Ausgerechnet der Mann, der die Spaltung der Union in besonderem Maße riskiert hat, gilt plötzlich als deren Heilsbringer.

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Von Robert Roßmann

Ein Grußwort von Markus Söder hat gereicht, um das politische Deutschland in Wallung zu versetzen. Das sagt viel aus über die Lage der Union, aber noch mehr über die Aufgeregtheit, mit der auf Dinge reagiert wird, die nüchterne Einordnung verlangen. Söder hielt in Leipzig eine gute Rede, dieselbe, die er auch in Bayern seit Monaten immer wieder hält. Er sprach schwungvoll und witzig, allein das unterscheidet ihn markant von Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer. Ihn deshalb aber gleich zum Rockstar der Konservativen oder zur Reinkarnation Barack Obamas auszurufen, wie das selbst seriöse Medien nur halb-ironisch tun, passt zu einer latenten Grunderregung, die nur noch Superlative kennt.

Ein Ministerpräsident für alle

Dass Söder inzwischen als Kanzlerkandidat der Union genannt wird, hat er weniger sich selbst als der Schwäche der CDU zu verdanken. Ja, der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident macht seit einem Jahr vieles richtig. Er hat seine scharfe Rhetorik abgelegt wie einen alten Mantel. Er erkennt Stimmungen in der Bevölkerung und setzt sie sogar gegen Vorbehalte in seiner Partei in Politik um, wie zum Beispiel das Volksbegehren für mehr Artenschutz. Er hat ein milliardenteures Zukunftsprogramm gestartet, mit dem Bayern weltweit bestehen will. Er hat im Bund eine Einigung bei der Grundrente forciert, die soziale Härten abfedern soll.

Söder will ein Ministerpräsident für alle sein und nicht mehr nur für CSU-Hardliner. Er hat in seiner kurzen Regierungszeit angedeutet, dass Deutschland mit diesem Pragmatiker der Macht im Kanzleramt womöglich nicht dem Untergang geweiht wäre, so wie es manch einer auch für Bayern prophezeit hatte. Und doch müsste ein Wunder geschehen, sollte er bei der nächsten Bundestagswahl als Spitzenkandidat die Union anführen.

Zwei CSU-Vorsitzende griffen bislang nach der Kanzlerschaft. Sie waren beide von Statur und Erfahrung her weiter, als Söder es wohl jemals sein wird. Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber traten an, weil die CDU es gestattete - und mit teils mäßigen Aussichten gegen Kanzler der SPD. Helmut Kohl wird froh gewesen sein, dass er sich 1980 durch eine vermutlich zweite Niederlage gegen Helmut Schmidt nicht für immer beschädigt hatte. Angela Merkel galt 2002 als zu schwach, um Gerhard Schröder herauszufordern.

Bundesweit haben es CSU-Männer schwer

Auch heute trauen weite Teile der CDU ihrer Vorsitzenden nicht zu, die Macht zu sichern. Anders als bei Merkel und Stoiber gibt es aber genügend Bewerber, die ihre Ambitionen schwer verhehlen können. All jene in der CDU, die derzeit um die Gunst des Kandidatenmachers Söder buhlen, werden ihn bekämpfen, sollte er ihnen in die Quere kommen. Ehe ein CSU-Chef mit erst 52 Jahren das Kanzleramt blockiert, lassen sie lieber Kramp-Karrenbauer in die Schlacht ziehen - auch auf die Gefahr einer Niederlage hin.

Als späterer Generalsekretär Stoibers hat Söder verinnerlicht, wie schwer ein CSU-Mann bundesweit zu vermitteln ist. Strauß und Stoiber verloren im Norden und Westen; und heute ist selbst der Süden für die Union keine Bastion mehr, wie Baden-Württemberg zeigt. Zudem hat Söder seine Macht in Bayern gerade erst gefestigt, die Doppelrolle als Parteichef und Ministerpräsident gefällt ihm immer mehr. Eine Niederlage im Bund würde alles gefährden: seine eigene Position wie den Anspruch der CSU, in Bayern wieder die absolute Mehrheit zu erringen. Diesem Ziel ordnet die Partei alles unter.

Söder wird den Lockrufen nicht folgen

Auch müsste Söder selbst als Kanzler einer schwarz-grünen Regierung schmerzhafte Kompromisse machen. So paradox es klingt: Komfortabler für die CSU wäre ein linkes Bündnis in Berlin. Bei der Landtagswahl 2023 muss Söder dann beweisen, dass er seine Partei zwischen Grünen und AfD zu neuer Stärke führen kann.

Zehntausende Menschen zogen vor einem Jahr gegen Söder auf die Straße. Er wurde als Vampir verspottet, als Hetzer gescholten. Er weiß also, wie schnell sich der Ruf eines Politikers bei den Wählern ändern kann. Söder vernimmt daher die heutigen Lockrufe zwar gern. Aber er wird schlau genug sein, ihnen nicht zu folgen - nicht in dieser Phase seiner Karriere in Bayern, da er noch viel zu verlieren hat.

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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