Skurriles aus dem Koalitionsvertrag:Von Jägern und Männern

Lesezeit: 2 min

Ein Hoch auf die Vielfalt: Schwarz-Gelb setzt auf Männer, Jäger und Denkmäler. Und immer wieder betonen die Koalitionäre, dass sie eigentlich gar nichts ändern wollen.

Guido Bohsem, Berlin

So ein Koalitionsvertrag ist beides: Positionsbestimmung und Arbeitsauftrag. Was in ihm steht, bestimmt die Richtung der kommenden vier Jahre und soll gleichzeitig für die neue Regierung werben. So ein Kunstwerk kann keiner auf zehn Seiten zeichnen. Das braucht Platz, viel Platz.

Der neue Koalitionsvertrag beinhaltet auch die ein oder andere Skurrilität. (Foto: Foto: ddp)

Weshalb es nun 124 Seiten und mehr als 6100 Zeilen geworden sind, auf denen Kanzlerin Angela Merkel und Vize-Kanzler Guido Westerwelle sich und die ihren präsentieren. Bei einer solchen Menge bedrucktem Papier ist es kein Wunder, dass sich auch die ein oder andere Skurrilität in das Geschriebene verirrt hat und anderes einfach nur geschwafelt ist.

In Zeile 765 zum Beispiel dokumentiert die Koalition entschlossen, dass sie sich dem Vorwurf der sozialen Kälte keineswegs aussetzen möchte: "Wer sein Leben lang gearbeitet hat, der hat auch einen Anspruch auf eine gute Rente", heißt es da und weiter: "Damit dies auch in Zukunft gewährleistet ist, wollen wir wegen des demographischen Wandels die Voraussetzung für eine längere Teilhabe Älterer am Erwerbsleben verbessern." Es ist wahrscheinlich anders gemeint, aber im Klartext steht da: Wer eine gute Rente will, sollte auch als Rentner weiter arbeiten gehen.

Das trifft die Männer weniger hart als die Frauen. Letztere leben ja bekanntlich länger und könnten somit auch länger arbeiten, um eine gute Rente zu bekommen. Das passt ganz gut ins Bild, denn die neue Koalition hat ein großes Herz für Männer.

In Zeile 3302 heißt es einigermaßen entschlossen: "Wir wollen eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik entwickeln und bereits bestehende Projekte für Jungen und junge Männer fortführen und ergänzen." Bei der emanzipierten rot-grünen Koalition las man solche Sachen ausschließlich über Frauen. Schwarz-Gelb hingegen will die "Zusammenarbeit mit gleichstellungsorientierten Männerorganisationen" intensivieren.

Immerhin wollen Merkel und Westerwelle den bedrohten Männern kein Denkmal setzen. Davon gibt es schon mehr als genug, könnte man schließlich einwenden. Wobei, die schiere Anzahl vorhandener Stand- und Sinnbilder hindert die Koalitionäre nicht daran, sich für weitere einzusetzen. In Zeile 2524 künden sie an, in Berlin ein Nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten. Das soll es auch in Leipzig geben, aber doppelt hält anscheinend auch im Denkmal-Fall besser.

Überhaupt gehen die Koalitionäre gerne auf Nummer sicher. So betonen sie gleich an mehreren Stellen des Koalitionsvertrags, dass sie eigentlich gar nichts ändern wollen. Das zweifellos schönste Beispiel für diese Art von politischer Entschlossenheit findet sich in Zeile 2058: "Damit Jäger ihren Auftrag zur nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen zu Gunsten der Erhaltung von Biodiversität nachkommen können, treten wir dafür ein, das Bundesjagdgesetz grundsätzlich in seiner jetzigen Form zu erhalten." Immerhin: Das Bundeswaldgesetz soll nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition novelliert werden (Zeile 2048).

Im Kapitel "Sport", das übrigens einige Zeilen länger als das zur "Rente" ist, stellen die Koalitionäre erst einmal klar, dass das Sportliche selbstverständlich auch politisch ist. In Zeile 4427 heißt es deshalb in aller gebotenen Klarheit: "Wir wissen, dass Sport für die Aktivierung und den Zusammenhalt einer modernen Gesellschaft unverzichtbare Beiträge leistet."

© SZ vom 27.10.2009/fvk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: