Sigmar Gabriel:Gabriel darf bei Ceta nicht die Brechstange anwenden

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Sigmar Gabriel und hinter ihm ein Flashmob gegen Ceta. (Foto: dpa)

Sollte der Parteivorsitzende der SPD versuchen, das Freihandelsabkommen mit Kanada einfach durchzudrücken, dann kann er einpacken. Das Dilemma ist aber auch eine Chance.

Kommentar von Christoph Hickmann

Eigentlich hat Sigmar Gabriel ja derzeit mehr als genügend Probleme. Als Parteivorsitzender muss er vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin darum zittern, dass die SPD in beiden Ländern weiter den Regierungschef stellt. Als Wirtschaftsminister muss er sich mit der Justiz herumschlagen, die ihm in Gestalt des Oberlandesgerichts Düsseldorf wegen seiner Erlaubnis zur Fusion zweier Supermarktketten schwere Vorwürfe macht. Nun gerät er an einer weiteren Front in Bedrängnis.

Immer mehr und immer gewichtigere Parteifreunde fordern, beim Parteikonvent Mitte September gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta in seiner derzeitigen Form zu stimmen - während Gabriel für die Zustimmung wirbt und sich zuversichtlich gibt, sie auch zu bekommen. Sollte es beim Konvent zum Knall kommen, sollte Gabriel dort verlieren, dann wäre es das wohl endgültig gewesen mit seiner Autorität, ebenso mit der Kanzlerkandidatur. Und höchstwahrscheinlich auch mit dem Parteivorsitz. Gabriels Problem besteht darin, dass diese Vorstellung für viele Genossen kein Horrorszenario mehr ist.

Die Basta-Methode

Im vergangenen Jahr war das noch anders. Da konnte Gabriel die Partei bei der Vorratsdatenspeicherung so gerade noch auf seine Linie zwingen, indem er seinen Abgang für den Fall einer Niederlage androhte. Damals galt allerdings intern noch das Gesetz, wonach niemand anderes bereit sei, die vermeintlich aussichtslose SPD-Kanzlerkandidatur auf sich zu nehmen. Für den Fall von Gabriels Rücktritt drohte daher zumindest kurzzeitig Chaos, was auch diejenigen disziplinierte, die Gabriel eigentlich lieber heute als morgen losgeworden wären. Gabriel konnte die Basta-Methode praktizieren, weil es zu ihm keine Alternative gab oder jedenfalls keine sichtbar war. Doch das hat sich mittlerweile geändert.

Sowohl Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz als auch Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, haben in den vergangenen Wochen einigermaßen eindeutig signalisiert und signalisieren lassen, dass sie im Fall der Fälle bereit stünden. Das vermindert schlagartig Gabriels Möglichkeiten, Ceta gegen den Widerstand der Genossen durchzusetzen.

Sollte er es auch diesmal mit der Brechstange versuchen, dürfte er scheitern. Im Gegenteil - sollte Gabriel die Sachfrage abermals mit der Personalfrage verknüpfen, dann dürften sich Sympathisanten von Scholz oder Schulz geradezu ermutigt fühlen, gegen die Linie des Parteichefs zu stimmen, um ihn zu Fall zu bringen. Das Ende der Alternativlosigkeit bedeutet auch das (vorläufige) Ende der Basta-Methode. Gabriel muss jetzt verhandeln. Und die Suche nach einem Ceta-Kompromiss ist offenbar bereits im Gange.

Eine Chance, vielleicht

Das könnte man nun zu Gabriels Nachteil auslegen - schließlich ist er offensichtlich nicht mehr in der Lage, der Partei qua Autorität einfach seine Linie aufzudrücken. Man kann es aber auch andersherum sehen und das Ganze als Chance begreifen, wie die Partei und ihr ungeliebter Chef einander wieder näherkommen könnten. Zumindest soweit, dass es für einen gemeinsamen Wahlkampf reicht.

Wenn Gabriel sich etwas in den Kopf setzt und drauflosrennt, dann geht das allzu häufig schief. Wenn er künftig gezwungen sein sollte, über seine Ideen zu diskutieren, sie abzustimmen und noch mal abzuwägen, könnte das durchaus fruchtbare Effekte haben. Zumal er 2009 als Parteichef eigentlich mit dem Versprechen angetreten war, Schluss zu machen mit den Basta-Methoden seiner Vorgänger. Die Genossen hatten ihn dafür gefeiert.

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Christoph Hickmann

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