Senegal:Aus dem Gefängnis in den Präsidentenpalast

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Anhänger von Bassirou Diomaye Faye feiern während der Präsidentschaftswahl in Dakar ihren Kandidaten. (Foto: Marco Longari/AFP)

Bis Mitte März saß Bassirou Diomaye Faye in Haft, aus den Wahlen in Senegal geht er als sicherer Sieger hervor. Für das Land ist das eine Zäsur - und für Frankreich der nächste Tiefschlag aus Westafrika.

Von Paul Munzinger, Kapstadt

In Senegal hat ein historischer Machtwechsel stattgefunden. Der Oppositionskandidat Bassirou Diomaye Faye wurde mit einer überraschend klaren Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Regierungskandidat und Ex-Premierminister Amadou Ba gratulierte Faye am Montag zum Sieg, noch bevor die offiziellen vorläufigen Ergebnisse der Wahl am Sonntag veröffentlicht worden waren. Manche Medien sprachen von 57 bis 58 Prozent der Stimmen, das wäre die absolute Mehrheit bereits im ersten Wahlgang.

Faye, seit diesem Montag 44 Jahre alt, war erst zehn Tage vor der Wahl aus einem Gefängnis in der Hauptstadt Dakar entlassen worden - nach elf Monaten Haft, weil er falsche Informationen verbreitet und einen Beamten beleidigt haben soll.

Die Gegner warnen vor dem "Abrutschen Senegals in ein populistisches Abenteuer"

Mehrere Kontrahenten gratulierten Faye zum Wahlerfolg, unter ihnen Anta Babacar, die einzige Frau im Rennen um die Präsidentschaft. Sie schrieb in der Nacht zu Montag auf X von einem "unangreifbaren Sieg" Fayes, der dem Willen des senegalesischen Volkes entspreche. Auf den Straßen der Hauptstadt Dakar feierten am Sonntagabend Tausende Anhänger der Opposition. Eigentlich sollte die Präsidentschaftswahl bereits vor einem Monat stattfinden. Doch der scheidende Präsident Macky Sall hatte sie im Februar kurzfristig abgesagt, in den Dezember verschoben und erst nach massiven Protesten und einem Einspruch des Obersten Gerichts eingelenkt.

Auf Platz zwei landete am Sonntag den Berichten zufolge Amadou Ba, der Kandidat des Regierungsbündnisses und designierte Nachfolger Salls. Der 62-Jährige kam offenbar auf lediglich 31 Prozent der Stimmen. Sein Lager gab sich dennoch zuversichtlich. Im "schlimmsten Fall" drohe ein zweiter Wahlgang, teilte ein Sprecher des Kandidaten mit. Das "Abrutschen Senegals in ein populistisches Abenteuer" sei "noch nicht beschlossene Sache", so der Sprecher weiter. Ba hatte sich im Wahlkampf als Kandidat der Kontinuität und der Vernunft zu präsentieren versucht, der den Kurs von Präsident Sall fortsetzen wolle.

Fayes Wahl zum Präsidenten ist eine Zäsur für das westafrikanische Land. Seit der Unabhängigkeit 1960 ist Senegal in Westafrika nicht nur der stabilste Staat, sondern auch der verlässlichste Verbündete des Westens und insbesondere Frankreichs, der ehemaligen Kolonialmacht. Senegal war das Herz von Französisch-Westafrika, bis heute sind die politischen und kulturellen Verbindungen der politischen Eliten besonders eng. Französische Soldaten sind in Dakar stationiert, drei von vier Präsidenten des Landes hatten französische Ehefrauen, Französisch ist die einzige Amtssprache Senegals - obwohl die Mehrheit der 18 Millionen Menschen im Land die Sprache nicht oder nicht gut beherrscht.

Faye hatte im Wahlkampf einen Bruch mit Paris angekündigt

Doch mit dieser besonderen Verbindung könnte es nun vorbei sei. Er stehe für den Bruch mit der bisherigen Politik, hatte Faye im Wahlkampf erklärt - und damit auch den Bruch mit Paris gemeint. Unter anderem sieht sein Programm eine Neuausrichtung der Rohstoffexporte vor, von denen bislang häufig französische Firmen profitieren. Auch den Ausstieg aus der westafrikanischen Gemeinschaftswährung Franc CFA hat Fayes Lager angekündigt. Der Franc CFA wird in Frankreich hergestellt und ist an den Euro gekoppelt. Kritiker sehen die Währung als Relikt der Kolonialzeit - auch wenn die Abkürzung CFA längst nicht mehr für die "französischen Kolonien in Afrika" steht, sondern für "finanzielle Kooperation".

Nach den jüngsten Putschen in Guinea, Burkina Faso, Mali, Niger und Gabun - alle getragen von einer starken antifranzösischen Stimmung in den jeweiligen Bevölkerungen - könnte Senegal unter einem Präsidenten Faye der nächste Staat werden, der sich von Paris abwendet. Nur dass die Abwendung in diesem Fall nicht Folge einer Machtübernahme des Militärs wäre, sondern einer demokratischen Wahl. Die Beziehung zu Frankreich, sagte Faye kürzlich der französischen Zeitung Le Monde, dürfe nicht weiterhin eine neokoloniale sein, "die uns in Abhängigkeit hält".

Der eigentliche Oppositionsführer konnte bei der Wahl nicht antreten

Fayes Einzug in den Präsidentenpalast - wahrscheinlich schon Anfang April, wenn die Amtszeit von Macky Sall endet -, ist auch der Triumph des Ousmane Sonko. Der eigentliche Oppositionsführer stand in den vergangenen Jahren mehrmals vor Gericht und wurde unter anderem wegen Verführung einer Minderjährigen verurteilt. Seine Partei wurde im Sommer 2023 aufgelöst.

Sonko bezeichnete alle Verfahren gegen ihn - und Faye - als politisch motiviert. Wie Faye wurde er Mitte März aus der Haft entlassen und von jubelnden Anhängern empfangen. Doch anders als Faye durfte er nicht bei der Wahl antreten.

Im Wahlkampf war Sonko dennoch omnipräsent. Plakate zeigten sein Gesicht neben dem Fayes, den Twitter-Kanal des Kandidaten könnte man auf den ersten Blick für den Kanal Sonkos halten. Eine Stimme für den eher unbekannten Faye, das war die Botschaft der Kampagne, ist eine Stimme für Sonko, den Star vieler junger Senegalesen, die mit Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Dieser Plan scheint aufgegangen zu sein.

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