Bundesregierung:Kabinett verabschiedet neues Selbstbestimmungsgesetz

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Eine Kundgebung beim Berliner CSD Ende Juli, auf der sich die Teilnehmenden für die Rechte von Transmenschen stark machen. (Foto: Carsten Thesing/Imago)

Damit will die Regierung einer kleinen Gruppe von Menschen das Leben leichter machen. Jeder soll künftig sein Geschlecht und seinen Namen selbst festlegen können. Aus der Opposition kommt scharfe Kritik.

Von Ida Morganti

Es ist ein Gesetz, hinter dem ausnahmsweise die ganze Ampelregierung steht. Statt zu streiten, sind sich SPD, Grünen und FDP dieses Mal einig. Leicht gemacht haben sie es sich trotzdem nicht, denn die Kritik an dem Vorhaben ist nach wie vor heftig. Nun hat das Kabinett am Mittwoch den Entwurf zum neuen Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) planen, dass jeder Mensch sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und einfacher beim Standesamt ändern kann. Es soll das bisher geltende "Transsexuellengesetz" von 1981 ablösen, das Betroffene als diskriminierend kritisieren. Doch nicht nur deren Leidensdruck zwang die Regierung zum Handeln: Das Bundesverfassungsgericht hat das alte Gesetz mehrfach als verfassungswidrig eingestuft.

Mit dem Gesetz, so Buschmann, helfe man einer kleinen Gruppe von Menschen, für die das Thema jedoch eine sehr große Bedeutung habe. Es gehe "um die Freiheit und die Würde von transgeschlechtlichen Menschen. Der Staat darf sie nicht länger wie Kranke behandeln", sagt Buschmann.

Paus sieht im Entwurf einen großen Moment für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland. "Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Achtung der geschlechtlichen Identität. Trotzdem wurden die Betroffenen mehr als 40 Jahre lang durch das Transsexuellengesetz diskriminiert. Damit ist jetzt endlich Schluss", sagte die Ministerin.

Bislang ist es kompliziert, das eigene Geschlecht offiziell anpassen zu lassen. Das Gesetz von 1981 empfinden viele Transmenschen als demütigend, da es etwa vorsieht, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung ändern dürfen. Dabei müssen sie sich oft sehr intime Fragen gefallen lassen.

Künftig soll jede volljährige Person die Geschlechtsidentität im Pass frei wählen können und selbst zwischen den Einträgen "männlich", "weiblich", "divers" oder "ohne Angabe" entscheiden. Das geht jedoch nicht ohne Einschränkung: Drei Monate nach der Erklärung wird die Änderung von Geschlecht und Name wirksam. In dieser Zeit hat die betroffene Person die Möglichkeit, die Änderung zu widerrufen. Die Entscheidung kann dann frühestens nach einem Jahr geändert werden. Jugendliche ab 14 Jahren benötigen eine Zustimmung ihrer Eltern. Die geplante Reform umfasst lediglich den Verwaltungsakt bei den Standesämtern. Medizinische Fragen, etwa die Voraussetzungen für eine Hormontherapie oder geschlechtsangleichende Operationen, behandelt das Gesetz nicht.

Union und AfD kritisieren die Reform scharf. Es sehe "eine völlige Trennung von rechtlichem und biologischem Geschlecht vor. Eine solche Beliebigkeit der Geschlechterzuordnung lehnen wir entschieden ab", sagte die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Silvia Breher. Außerdem gefährde die Neuregelung Schutzräume, die explizit Frauen zur Verfügung stehen müssten. Die Union nehme die Interessen aller Betroffenen ernst und sei offen für eine pragmatische Anpassung des Verfahrens zur Änderung des Namens beziehungsweise des Personenstands von transgeschlechtlichen Menschen.

Das Gesetz richtet sich an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. "Trans" sind laut Gesetzentwurf Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. "Inter" zu sein, bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, "die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen". "Nicht-Binär" wird als Selbstbezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, definiert.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)

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