Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich bestürzt über rechtsextremistische Aktivitäten in der nordrhein-westfälischen Polizei gezeigt. Eine Studie zu rassistischen Vorurteilen bei der Polizei lehnt er trotzdem weiter ab. "Dieser Vorgang bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen tut weh", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) greife zu Recht rigoros durch. "Ich bin überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit unserer Polizistinnen und Polizisten solche Machenschaften ablehnen und zweifelsfrei zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen", so der Minister. Der Verfassungsschutz werde "zu diesem Themenkomplex Ende September einen Bericht vorlegen". Der Lagebericht zu Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst wurde allerdings schon vor Monaten geordert. Er hat nichts mit den aktuellen Ermittlungen zu tun.
In Nordrhein-Westfalen waren fünf rechtsextreme Chatgruppen aufgedeckt worden, zu denen überwiegend Polizistinnen und Polizisten aus Mülheim an der Ruhr gehören sollen. Sie sollen unter anderem Hitlerbilder und die fiktive Darstellung eines Flüchtlings in einer Gaskammer verschickt haben. Am Mittwoch wurden 29 Beamtinnen und Beamte vom Dienst suspendiert. Am Donnerstag kam eine weitere Beamtin dazu. "Die Dimension und diese Abscheulichkeiten habe ich nicht für möglich gehalten", sagte NRW-Innenminister Reul am Donnerstag im Landtag. Vorfälle wie in Hagen, Hamm, Gelsenkirchen und bei den jetzt enttarnten Chatgruppen machten deutlich: "Offenbar haben wir nicht alles erkannt, vielleicht sogar auch die Dimension unterschätzt."
Wegen des Verdachts rechtsextremistischer Hetze wird auch in Hessen gegen Dutzende Polizeibeamte ermittelt. In Bayern flog 2019 eine Chatgruppe auf, die eine Drohung gegen Muslime geteilt haben soll. Auch in Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen kamen Extremismus-Verdachtsfälle bei der Polizei ans Licht.
"Wir plädieren energisch dafür, die Forschung auf diesem Feld zu intensivieren, sagte der SPD-Innenexperte im Bundestag, Lars Castellucci, der SZ. Niemand stelle wegen einzelner Vorfälle einen ganzen Berufsstand infrage. Die große Mehrheit bei der Polizei sei verfassungstreu. "Umso wichtiger ist es, frühzeitig zu erkennen, ob es Einstellungsmuster und Vorurteile bei Beschäftigten der Sicherheitsbehörden gibt", so Castellucci. In Behörden fehle interkulturelle Kompetenz. "Wir wissen, dass entsprechende Schulungen in Polizeihochschulen nicht fruchten."
Bisher lehnt Seehofer es ab, eine Studie über Racial Profiling in Auftrag zu geben, also über verbotene Polizeikontrollen nur aufgrund des Aussehens. Zunächst warnte er vor einem Generalverdacht gegen Polizistinnen und Polizisten. Nun heißt es, eine Konzentration nur auf die Polizei greife zu kurz. Im Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus haben Migrantenorganisationen kürzlich eine Untersuchung zu Diskriminierung durch Polizisten, aber auch bei der Wohnungs- und Jobsuche eingefordert. Denkbar wäre, dass Seehofer einem solchen, allgemeineren Vorhaben zustimmt.