Korruptionsermittlungen:Österreichs Bundespräsident schaltet sich in Regierungskrise ein

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Alexander Van der Bellen lädt alle Parteien im Nationalrat zu Einzelgesprächen - auch den unter Korruptionsverdacht stehenden Kanzler Kurz. Dessen grüner Koalitionspartner hatte ihm zuvor die Handlungsfähigkeit abgesprochen: "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen."

In die Regierungskrise in Österreich schaltet sich nun auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein. Das Staatsoberhaupt werde am Donnerstag und Freitag mit den Chefs aller Parlamentsparteien sprechen, teilte die Präsidentschaftskanzlei der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit. Den Auftakt am Donnerstagnachmittag machen der grüne Vizekanzler Werner Kogler und der unter Korruptionsverdacht stehende Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Später sei SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu Van der Bellen gebeten. Am Freitag folgen die Chefin der liberalen Neos und der Chef der rechten FPÖ, Beate Meinl-Reisinger und Herbert Kickl.

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Nach einer Razzia im Kanzleramt, dem Finanzministerium und der ÖVP-Parteizentrale war am Donnerstag der Druck auf Österreichs Kanzler gestiegen. Auch sein Koalitionspartner, die Grünen, stellte Kurz' Handlungsfähigkeit infrage und kündigte Gespräche mit den Fraktionschefs der anderen Nationalratsparteien über das weitere Vorgehen an. "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund infrage gestellt", sagte Kogler, der Vizekanzler und Grünen-Chef ist. "Wir müssen für Stabilität und Ordnung sorgen." Die Opposition hatte am Vortag geschlossen Kurz' Rücktritt verlangt.

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Die liberalen Neos warfen ihm "klare Amtsunfähigkeit" vor und forderten einen Neustart für das Land. "So kann es nicht weitergehen", sagte die Chefin der Oppositionspartei, Beate Meinl-Reisinger, am Donnerstag. Das Land brauche eine saubere Regierung. Neuwahlen seien dafür nicht nötig. Kanzler Kurz schade mit seiner Weigerung zurückzutreten dem Land und dem Amt.

Kurz versuchte am Mittwochabend erneut, die Korruptionsvorwürfe der Staatsanwaltschaft zu entkräften. Es gebe überhaupt kein Indiz dafür, dass er persönlich zum Beispiel in die Beauftragung für ihn günstiger Meinungsumfragen oder in das Schalten von Inseraten verwickelt sei, sagte Kurz in der ORF-Nachrichtensendung "ZiB2". "All diese Vorwürfe, die es da gibt, richten sich gegen Mitarbeiter des Finanzministeriums", betonte Kurz. Dass Umfragen zu seinen Gunsten manipuliert worden seien, sei schon deshalb abwegig, weil Dutzende Umfragen im fraglichen Zeitraum 2016 ganz ähnliche Werte für Parteien und Politiker ergeben hätten. Einen Rücktritt schloss Kurz aus.

Es geht um mit Steuermitteln erkaufte positive Berichterstattung

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ließ am Mittwoch das Kanzleramt, das Finanzministerium und die ÖVP-Zentrale durchsuchen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz und einige seiner engen Vertrauten wegen des Verdachts der Untreue, der Bestechung und der Bestechlichkeit. Das Team um den 35 Jahre alten Regierungschef soll sich seit 2016 mit Steuermitteln eine positive Berichterstattung in einem Boulevardmedium erkauft haben, um so den Weg von Kurz an die Parteispitze und ins Kanzleramt zu ebnen. Eine wichtige Rolle bei der Beschaffung der Gelder soll ein Kurz-Vertrauter im Finanzministerium gespielt haben.

Die womöglich manipulierten Umfrageergebnisse sind der Staatsanwaltschaft zufolge - ohne als Anzeige deklariert worden zu sein - im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht worden.

Laut der Behörde besteht der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien. Die im Zuge der Hausdurchsuchungen sichergestellten Beweismittel würden nun gesichtet und ausgewertet, so die WKStA. Die Mediengruppe bestreitet die Vorwürfe. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung zwischen der Mediengruppe "Österreich" und dem Finanzministerium über eine Bezahlung von Umfragen durch Inserate gegeben, teilte das Unternehmen mit.

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