Der frühere afghanische Geheimdienstchef hat nach eigenen Angaben seit Jahren gewusst, dass Osama bin Laden sich in Pakistan versteckte. Amrullah Saleh sagte dem US-Fernsehsender CBS in einem Interview, das bereits am Sonntag ausgestrahlt wurde, er habe den pakistanischen Behörden vor vier Jahren entsprechende Hinweise gegeben, sei aber abgewiesen worden.
Saleh erklärte, der afghanische Geheimdienst habe angenommen, dass Bin Laden sich in der pakistanischen Stadt Mansehra versteckt hatte. Die Stadt liegt nur 20 Kilometer von Abbottabad entfernt, wo der Terror-Führer schließlich von einer US-Kommandoeinheit getötet wurde.
Christopher Alexander, von 2005 bis 2009 politischer Direktor der afghanischen UN-Mission, arbeitete eng mit Amrullah Saleh zusammen und lobte im Gespräch mit CBS die Kooperation. Die internationale Gemeinschaft habe sich auf die Informationen, die sein Geheimdienst geliefert hätte, verlassen können.
Saleh gilt als prominenter Kritiker der Bemühungen des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, Friedensverhandlungen mit den Taliban aufzunehmen. Er sagte CBS auch, die USA sollten Pakistan als feindlich gesinntes Land betrachten. "Sie nehmen euer Geld, kooperieren aber nicht", sagte er. Das größte Problem sei, dass Pakistan den Anführern der Taliban einen "sicheren Zufluchtsort" biete. Zudem trage Pakistan zur Verbreitung von Atomwaffen bei.
Nach der Tötung Bin Ladens am 2. Mai gelten die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan als angespannt. US-Präsident Barack Obama hatte in einem Interview von einem "Unterstützernetzwerk" Bin Ladens in Pakistan gesprochen. Pakistans Regierungschef Yousuf Raza Gilani hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen. Das sei "absurd", sagte er. Pakistans Geheimdienste hätten es nicht geschafft, den Aufenthaltsort Bin Ladens ausfindig zu machen. "Aber das ist nicht nur unser eigenes Versagen, sondern das Versagen aller Geheimdienste dieser Welt."
Unterdessen ergab eine Umfrage, dass mehr als zwei Drittel der afghanischen Männer die Tötung Bin Ladens positiv sehen. 68 Prozent begrüßten die Nachricht, wie aus der Befragung von 600 Männern in verschiedenen Regionen des Landes durch das Institut International Council on Security and Development hervorgeht. In Mardschah, einer Taliban-Hochburg in der südlichen Provinz Helmand, bezeichneten dagegen 71 Prozent der Befragten den Tod des Terrorchefs als eine schlechte Nachricht.