Parlamentswahlen in der Schweiz:Zwei Verlierer

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Alex Farinelli, der unterlegene Kandidat, bei einer Sitzung der Eidgenössischen Räte. (Foto: Alessandro Della Valle/picture alliance/KEYSTONE)

Seit diesem Sonntag ist das neue Schweizer Parlament komplett. Vor allem zwei Parteien müssen sich jetzt fragen, wie es weitergehen soll.

Von Isabel Pfaff, Bern

Es hätte klappen können im Tessin. Aber am Ende musste sich Alex Farinelli, der Kandidat der liberalen FDP, seinen Herausforderern knapp geschlagen geben. Farinelli war der einzige FDP-Kandidat, der am Sonntag noch im Rennen war um die letzten offenen Sitze im Ständerat, der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments. Seine Niederlage steht nun im Kleinen für den schwierigen Zustand seiner Partei im Großen.

Im Ständerat sitzen 46 Politikerinnen und Politiker, die jeweils zu zweit oder einzeln die 26 Kantone der Schweiz vertreten. Sie werden - anders als die Kandidaten für den 200-köpfigen Nationalrat - per Mehrheitswahl gewählt. Deshalb war der Rat nach dem eigentlichen Wahltag am 22. Oktober noch nicht komplett, in mehreren Kantonen waren zweite Wahlgänge nötig.

Seit diesem Sonntag nun steht die Zusammensetzung der Kammer fest. Auf dem Papier sind die Verschiebungen nicht groß: Wie schon zuvor stellt im Ständerat die Partei "Die Mitte" mit 15 Sitzen die größte Fraktion, es folgen die FDP, dann die Sozialdemokraten (SP), die SVP und am Schluss die Grünen und die Grünliberalen. Aber weil in der Schweiz beide Kammern über die gleiche Macht verfügen, sind die wenigen Ständeräte tendenziell einflussreicher als die Nationalräte. Hinter den minimalen Veränderungen verbergen sich deshalb für manche Parteien herbe Verluste.

Die FDP versuchte es mit einer Wende nach rechts

Da wäre die oben erwähnte FDP, der sogenannte Freisinn: Sie gilt als die älteste und, aufs Ganze betrachtet, einflussreichste politische Kraft der Schweiz. Seit den 1980er-Jahren jedoch geht ihr Wähleranteil kontinuierlich zurück. Dieses Jahr dann fuhr die Partei das schlechteste Ergebnis aller Zeiten ein: 14,25 Prozent. Das ist zwar weniger als ein Prozentpunkt Verlust im Vergleich zu 2019, und auch im Ständerat hat die Partei mit elf Sitzen nur einen Sitz weniger als in der vergangenen Legislatur. Dennoch scheint die Entwicklung stets nach unten zu zeigen - und das, obwohl die Partei es schon mit einigen Kurswechseln versucht hat.

Unter der früheren Präsidentin Petra Gössi hatte die FDP kurz einen ökologischen Kurs eingeschlagen, der sich nicht in Wahlgewinnen niederschlug. Der jetzige Präsident, Thierry Burkart, versuchte es mit einer Wende nach rechts: Er betonte Themen wie Sicherheit und Verteidigung und ließ seine Partei bei den Wahlen viele Listenverbindungen mit der rechtspopulistischen SVP eingehen. Doch auch davon profitierten die Freisinnigen nicht nennenswert. Jetzt muss sich zeigen, wo sich die Partei künftig verorten wird. In einem System wie dem schweizerischen spielt sie nämlich trotz ihres vergleichsweise geringen Gewichts häufig eine ausschlaggebende Rolle - je nachdem, ob sie sich eher rechts- oder linksliberal verhält.

Offen ist auch, wie sich die anhaltende Schwäche der FDP auf die Zusammensetzung der Regierung auswirkt. Am 13. Dezember wird das Parlament den siebenköpfigen Bundesrat wählen. Bislang besetzt die FDP zwei der sieben Sitze, gleich viele wie die SVP (knapp 28 Prozent Wähleranteil) und die SP (gut 18 Prozent). Die Mitte hat nur einen Sitz, obwohl ihr Abstand zur FDP nicht einmal 0,2 Prozentpunkte beträgt. Der zweite FDP-Sitz wackelt also gefährlich.

Die Grünen haben wieder an Zustimmung verloren

Fraglich ist nur, welche Partei ihn übernehmen könnte. Denn die Grünen, die 2019 historische Gewinne verbuchen konnten und seither Anspruch auf ihren ersten Sitz im Bundesrat erheben, haben bei diesen Wahlen wieder an Zustimmung verloren. Sie erzielten nur noch knapp 10 Prozent der Wählerstimmen (gegenüber 13,2 Prozent vor vier Jahren) und verloren nun auch im Ständerat zwei ihrer fünf Sitze.

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Besonders schmerzhaft: Die Genfer Ständerätin Lisa Mazzone, eine der einflussreichsten Grünen-Politikerinnen der Schweiz, konnte ihren Sitz nicht verteidigen. Die Niederlage der 35-Jährigen gegen zwei ältere Männer von der SP und der populistischen Kleinstpartei Mouvement Citoyens Genevois (MCG) hat für die Grünen Symbolwert.

In den Bundesrat will die Partei trotzdem, wie sie kurz nach dem Wahltag bekannt gab. "Die Zauberformel ist tot", schrieb sie - eine Anspielung auf den seit 1959 fast ununterbrochen geltenden Schlüssel für die Zusammensetzung der Regierung: je zwei Sitze für die drei stärksten Parteien, ein Sitz für die viertstärkste Partei. Mit dieser Formel bleibe mehr als ein Viertel der Wähler von der Regierung ausgeschlossen, so die Partei. Und weiter: "Die FDP ist mit ihren zwei Sitzen im Bundesrat so stark übervertreten wie nie zuvor."

Am 13. Dezember kommt es also zum Showdown zwischen den beiden Wahlverliererinnen: Die Grünen werden, wie schon 2019, die FDP-Bundesräte in einer Kampfabstimmung angreifen. Viel Unterstützung dürften sie jedoch in dem auf Kontinuität bedachten schweizerischen System nicht erhalten.

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