Jimmie Åkesson hat wieder dieses spöttische Lächeln im Gesicht, als er um 22.56 Uhr am Wahlabend vor seine Anhänger tritt. Er ist der erste Parteichef, der an diesem Abend den Schritt wagt. Die anderen grübeln vermutlich noch, überlegen, wie sie mit dem unklaren Ergebnis umgehen sollen, das keine klare Regierungsmehrheit zulässt. Man rätsele ja noch, wer nun gewonnen habe, sagt Åkesson mit dem Lächeln. Aber er weiß die Antwort schon. "Die Schwedendemokraten haben gewonnen", ruft er den jubelnden Fans zu. Seine Partei werde jetzt "einen unerhörten Einfluss" haben.
Es ist die dritte Parlamentswahl in Folge, bei der Åkesson sich derart feiern lassen kann. 2010 zogen die Schwedendemokraten unter seiner Führung erstmals ins Parlament ein, 2014 steigerten sie ihr Ergebnis deutlich - und jetzt sind sie mit mehr als 17 Prozent wieder drittstärkste Kraft geworden. Damit sind sie möglicherweise das Zünglein an der Waage, das entscheidet, ob der Sozialdemokrat Stefan Löfven Premierminister bleibt oder sein konservativer Herausforderer Ulf Kristersson den Stockholmer Regierungssitz Rosenbad beziehen darf.
Lange Zeit gab es in Schweden immer diese zwei politischen Blöcke - sozialdemokratisch-links und bürgerlich-konservativ. Zwischen ihnen wurden Wahlen entschieden. Damit ist es vorbei, nun gibt es mit den Rechtspopulisten einen dritten Block, sie haben die politische Landschaft Schwedens gespalten. Da ist es egal, dass die Schwedendemokraten in Umfragen vor der Wahl teilweise mit mehr als 20 Prozent stärkste Kraft waren, sie also eigentlich auf ein noch besseres Ergebnis hätten hoffen können - sie sind stark genug, um Macht auszuüben. Das allein zählt, bläut Åkesson seinen Anhängern ein.
Åkesson, 39, ist seit 1995 Mitglied der Schwedendemokraten, seit 2005 ist er Parteichef. Man kann den Erfolg der Rechtspopulisten nicht erklären, ohne ihn und seinen erstaunlichen Aufstieg zu beschreiben. Als er den Vorsitz übernahm, war seine Partei ein von den meisten Schweden belächelter Haufen rechter Chaoten mit unappetitlichen Wurzeln in der Neonazi-Szene. Bei Kommunalwahlen hatten sie ein paar Mandate gewonnen, insbesondere im südschwedischen Schonen, wo die Leute einen kehligen Dialekt nuscheln und aus Sicht der nördlicheren Regionen auch sonst ein bisschen seltsam sind. Heute ist die Partei eine moderne Kampagnen-Maschine.
Åkesson stammt aus Schonen, das hört man ihm bis heute an. Als er 2005 nach internen Machtkämpfen die Partei übernahm, wirkte es darum nicht wie eine Zeitenwende. Wieder ein junger, wütender Mann aus der südschwedischen Provinz, der auf Einwanderer schimpft - solche gab es in der Partei viele und keiner hatte bislang das Nischendasein am rechten Rand beenden können. Manch einer hielt das weltoffene, sozialdemokratisch geprägte Schweden gar für immun gegen solche Tendenzen. Åkesson hatte verstanden, das dem nicht so ist. Und er begann, die Schwedendemokraten an die Macht zu führen.
Es fing mit dem Parteilogo an. Damals war das eine blaugelbe Fackel, die hatten sich die rechtsextremen Gründer in den 1980er Jahren von der Rassistenpartei British National Front abgeguckt. Bereits ein Jahr nach Åkessons Wahl zum Parteichef verschwand die Fackel, die Schwedendemokraten werben seitdem mit einer Anemone für sich: eine kleine Blume, auch blaugelb, aber viel freundlicher. Åkesson versprach außerdem, mit dem rechtsextremen Erbe zu brechen und verkündete eine "Null-Toleranz-Politik" gegen nazistische und rassistische Tendenzen.
Tatsächlich warf er einige Mitglieder aus der Partei. Kritiker sagen allerdings, dass sein Kampf gegen die Extremisten nicht besonders konsequent war und er damit vor allem versuchte, Rivalen zu beseitigen. Auch im Wahlkampf 2018 berichteten Medien über Mandatsträger, die früher der Neonazi-Szene angehörten. Einige mussten daraufhin die Schwedendemokraten verlassen. Solche Affären scheinen der Partei inzwischen nicht mehr ernsthaft zu schaden.
Åkesson hat nicht nur seine Schwedendemokraten, sondern auch sich selbst konsequent geglättet, um mehrheitsfähig zu werden. Vor einigen Jahren noch war der Politiker, der in Lund Staatswissenschaften studiert hat, einer dieser neurechten Ideologen, die im Anzug ihre Hetze in akademisch-verschwurbelte Sätze packen. 2009 erregte er viel Aufsehen mit einem Gastbeitrag in einer Boulevardzeitung, dessen Titel "Die Muslime sind unsere größte ausländische Bedrohung" lautete. Der erste Satz des Textes lautet: "Eines der vielen der Multikultur innewohnenden Paradoxa ist, dass sie, trotz ihres universellen Anspruchs, ein monokulturelles Phänomen ist, das nur Nährboden im postmodernen, oikophoben Westen fand, und das darum auch seinen Ausgangspunkt in westlichen Phänomenen und Erfahrungen nimmt, wenn man die Umwelt analysiert."
Der Satz erregt Mitleid mit dem Redakteur, der ihn redigieren musste. Dieser sah sich genötigt, den Begriff "Oikophobie" in einer Fußnote zu erläutern (er bedeutet so viel wie "Heimathass" und stammt vom konservativen Philosophen Roger Scruton). Der Satz führt aber auch vor Augen, wie sehr Åkesson sich in neun Jahren gewandelt hat.
Heute trägt der kühle Ideologe von früher einen Vollbart, ist Familienvater, der dem Wähler auch mal seine menschliche Seite zeigt - etwa als er ein paar Monate Auszeit von der Politik wegen eines Burnouts nahm. Und er ist ein volksnaher Redner, der vor allem von den Sozialdemokraten, bislang Schwedens wichtigste politischer Kraft, eine Menge gelernt hat. Åkesson lobt den Wohlfahrtsstaat, träumt von einem "modernen Volksheim", in dem alle Bürger gleich sind und zusammenhalten, bezeichnet seine Partei als "Bewegung". Er hat vor allem in Arbeiterkreisen den Sozialdemokraten viele Stimmen abgenommen.
Kein Kandidat hat in den vergangenen Wochen mehr Straßenwahlkampf geführt als Åkesson, der im Sommer Marktplätze von Lappland bis Malmö besuchte. Manchmal lauschten ihm einige Hundert Zuhörer, selbst in Einwanderervierteln fand er Medienberichten zufolge Unterstützung. Schaut man sich einen der Auftritte an, die etwa bei Youtube zu sehen sind, begegnet man einem gewieften Rhetoriker, der sein Publikum unterhält und begeistert. Der seinen Themen zwar treu geblieben ist: Einwanderung und EU. Der aber verstanden hat, dass ein dumpfes "Ausländer raus" keine Massen erreicht in einer Gesellschaft, in der fast 20 Prozent der Menschen im Ausland geboren sind.