Schweden:Mitten ins Stockholmer Herz

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Überall in der Stadt riegelte die schwer bewaffnete Polizei belebte Plätze und Gebäude ab. (Foto: AFP)

Schwer bewaffnete Polizisten, abgeriegelte öffentliche Plätze, weinende Menschen. Schwedens Hauptstadt ist vom mutmaßlichen Lkw-Anschlag schwer getroffen.

Von Silke Bigalke

Es ist der belebteste Ort in Stockholm. Eine dieser Einkaufsstraßen, die man am Wochenende besser meidet, einfach weil so viele Menschen unterwegs sind. Dort haben die großen Modeketten ihre Geschäfte, es gibt den Heimwerkermarkt, Schmuckläden, Hotdog-Stände. Dort, wo der Lastwagen am Freitagnachmittag in die Menschen gerast ist, ist die Drottninggatan eine Fußgängerzone. Es ist das Herz von Stockholm, das der Attentäter getroffen hat. Mindestens vier Menschen soll er getötet haben, am Abend war zudem von 15 Verletzten die Rede. "Schweden ist angegriffen worden", sagte der schwedische Premierminister Stefan Löfven. "Alles deutet auf eine Terrortat hin."

Der bisher letzte Terroranschlag auf Stockholm ist mehr als sechs Jahre her, damals ging er glimpflich aus. Zwei Sprengsätze detonierten, ebenfalls in der Drottninggatan. Damals kam durch die Explosion nur der Attentäter ums Leben. Nun aber gibt es Bilder von Opfern zwischen den Schaufenstern, von der Blutspur, die sich über den Beton zieht, von der Rauchwolke, die aus Stockholms Kaufhaus Åhléns quillt, dem größten dieser Kette. Der Lkw war in Flammen aufgegangen, nachdem er das Erdgeschoss gerammt hatte. Jeder Stockholmer kennt diese Stelle, wo immer der Hotdog-Stand war, kurz vor dem Haupteingang des Åhléns. Jeder Tourist, der schon mal in Stockholm war, kennt die Drottninggatan, über die nun die Hubschrauber kreisten.

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Der Hauptbahnhof und andere zentrale Plätze wurden abgesperrt

Überall in der Stadt riegelte die schwer bewaffnete Polizei belebte Plätze und Gebäude ab, Einsatzwagen mit Lautsprechern fuhren durch die Straßen, die U-Bahnen standen still, die Krankenhäuser bereiteten sich auf das Schlimmste vor. Hinter dem Åhléns beginnt der Sergels Torg, einer der zentralen Plätze Stockholms, ein Knotenpunkt mit dem Kulturzentrum "Kulturhuset", das evakuiert worden ist. Nicht nur dort ist das Kulturprogramm für den Abend abgesagt worden, auch andere Häuser wie das Theater "Dramaten" blieben am Freitagabend geschlossen, Kinos ebenso. Der Hauptbahnhof und andere zentrale Plätze wurden abgesperrt.

Stockholm war schnell im Krisenmodus. Doch viele Menschen, die in der Stadt unterwegs waren, reagierten weniger gefasst. "Rennt", habe die Polizei nur geschrien, sagt eine ältere Frau dem schwedischen Fernsehen, und ringt um Atem. Die Zeitung Svenska Dagbladet berichtet von aufgebrachten, erschrockenen, teilweise weinenden Menschen, die in Massen durch Stockholm liefen.

SZ-Karte (Foto: stockholmkarte)

Als die Polizei den Hauptbahnhof evakuieren wollte, soll Panik ausgebrochen sein. Wer am Nachmittag im Stockholmer Zentrum war, musste es zu Fuß verlassen. Der öffentliche Nahverkehr stand still. Die Polizei bestätigte, dass deswegen noch mehr Leute auf den Straßen waren als sonst. Viele Stockholmer boten jenen, die in der Stadt festsaßen, spontan über Facebook Übernachtungsplätze an.

Die Polizei bestätigte am Abend die Festnahme einer verdächtigen Person. Dieser sei jedoch nicht der Mann, der den Lkw gefahren hatte. Das Fahrzeug der schwedischen Brauerei Spendrups war offenbar gestohlen worden, als es mit einer Lieferung auf dem Weg zur Drottninggatan war. Dort stieg der Fahrer aus, um den Lkw zu entladen, als ein maskierter Mann in die Fahrerkabine sprang. So erzählt es zumindest ein Sprecher der Brauerei. Als der Fahrer versucht habe, den Maskierten aufzuhalten, sei er angefahren, aber nicht schwer verletzt worden.

Der Festgenommene, teilte die Polizei am Abend mit, sei jener Mann, nach dem sie zuvor mit einem Foto gefahndet hatte. Er soll in der Nähe des Tatorts gewesen sein. Eine Überwachungskamera hat das Foto aufgenommen: Ein Kapuzenpulli unter einer grauen Jacke, verpixelt, das Gesicht kaum zu erkennen. Zur Identität des Mannes oder zum Hintergrund des Anschlags könne sie nichts sagen, betont die Polizei.

Der schwedische Nachrichtendienst Säpo hatte in seinem jährlichen Sicherheitsbericht im März einen terroristischen Anschlag als eine der größten Bedrohungen für Schweden ausgemacht. Darin warnte er vor Attacken von Einzeltätern, die keine direkte Verbindung zu einer terroristischen Gruppe haben und auch deshalb so schwierig zu erfassen sind, bevor sie die Tat begehen.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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