Schwarz-Gelb:Schöpfen aus dem Nichts

Lesezeit: 2 min

Creatio ex nihilo: Die schönen Tage sind vorbei, aber die künftige schwarz-gelbe Koalition hat es noch nicht gemerkt. Sie will immer noch Geld verteilen, wo keines ist.

Heribert Prantl

Die schwarz-gelbe Koalition hat erste Erfolge erzielt. Sie hat beschlossen, dass die Wirtschaft 2009 nicht um sechs, sondern nur um fünf Prozent geschrumpft ist.

Und sie hat des Weiteren dekretiert, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr nicht nur um 0,5 Prozent wächst, wie bisher die Prognosen lauteten, sondern um 1,25 Prozent. Das ist ein fürwahr kraftvoller Auftakt.

Die schwarz-gelbe Koalition vertraut der Kraft des Wortes. Sie hat noch nichts getan, aber schon geht es aufwärts. Creatio ex nihilo, nennt das der Lateiner.

Unernsthaftigkeit der Koalitionäre

Man beschließt einfach, dass man Erfolg hat. Nach diesem Muster könnten die Koalitionspartner auch jetzt schon beschließen, dass die schwarz-gelbe Koalition von 2009 bis 2013 ein voller Erfolg gewesen ist.

Aber im Ernst: Was an den Koalitionsverhandlungen auffällt, ist die Unernsthaftigkeit, mit der die Koalitionäre mit der horrenden Verschuldung umgehen. Die Warnungen und Empfehlungen der Finanzexperten werden beiseitegeschoben, die Milliardendefizite ignoriert. Der Vulkan raucht, aber die Koalitonäre tun so, als handele es sich um ein Freudenfeuer für die neue Regierung.

Die neue Regierung wird nicht in einem Palast regieren, sondern in einem Käfig. Wenn für jede neue Schuldenmilliarde aus der vergangenen Legislaturperiode, aus Bankenrettungs- und Konjunkturpaketen, nur ein einziger Gitterstab steht, dann sieht die neue Regierung vor lauter Stäben die Welt nicht mehr.

Im Schuldenkäfig

Gleichwohl tut die neue Koalition so, als könne sie neue Wohltaten verteilen. Diese Regierung wird, um ein bisschen Bewegungsfreiheit zu haben, Stäbe aus dem Schuldenkäfig, in dem sie steckt, herausbrechen müssen. Wie sie das macht, wo sie das macht, an welchen Stäben sie rüttelt und welche sie bricht - das ist eine hochpolitische Frage, das ist die Frage, an der sich das Schicksal der neuen Koalition entscheidet.

Die Koalition redet von Steuersenkungen. Sie wird aber um Steuererhöhungen nicht herumkommen. Die Freiheit der neuen Regierung wird darin bestehen, welche Steuern sie erhöht; sie besteht in der Entscheidung, wer belastet wird.

Alle in gleicher Weise? Mit der Folge, dass es die Ärmeren trifft wie ein Hammerschlag und die Vermögenden nur wie ein Pieks mit der Stecknadel? Welche neuen Steuern erfindet die neue Regierung, welche hebt sie an? Erhöht sie die Einkommenssteuer - oder die Mehrwertsteuer? Spart sie bei der Kultur oder bei der sozialen Sicherung? Spart sie so, dass die Spaltung der Gesellschaft noch größer wird? Das sind die Fragen, die die neue Regierung beantworten muss.

Wenn die Regierung die falschen Stäbe bricht, wird schnell der Stab über ihr gebrochen werden.

© sueddeutsche.de/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: