Schwarz-Gelb in der Krise:Kassandrarufe aus Hessen

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Mahnende Abschiedsworte: Roland Koch ruft die schwarz-gelbe Koalition zu mehr Geschlossenheit auf, "sonst wird es uns verdammt viel schlechter gehen". Hessens FDP-Chef Hahn ist noch drastischer - und sieht die Koalition in Berlin kurz vor ihrem Ende.

Kassandrarufe allerorten: Politiker aus Union und FDP haben am Wochenende zu mehr Geschlossenheit in der schwarz-gelben Koalition aufgerufen und vor einem Scheitern des Bündnisses gewarnt.

Hessens scheidender Ministerpräsident Roland Koch nutzte seine Abschiedsrede auf dem Landesparteitag, um die schwarz-gelbe Koalition zu mehr Geschlossenheit aufzurufen. (Foto: dpa)

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ermahnte seine Partei eindringlich, eine Schlappe bei der Bundespräsidentenwahl am 30. Juni zu verhindern. Die Wahl sei eine "politische Richtungsentscheidung" für oder gegen eine bürgerliche Mehrheit, sagte Koch in seiner Abschiedsrede als CDU-Landeschef vor dem CDU-Parteitag im nordhessischen Willingen, auf dem Volker Bouffier mit 96,0 Prozent der Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt wurde.

Er glaube aber fest daran, dass der Kandidat der schwarz-gelben Regierungskoalition, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), gewählt werde. "Ich glaube, dass das geht". Aber "die Frage, wie gut es geht, wird sehr viel damit zu tun haben, wie gut es uns damit danach geht", sagte Koch wörtlich.

Es müsse der schwarz-gelben Regierung nach der Wahl "besser gehen, sonst wird es uns verdammt viel schlechter gehen, und nicht nur an diesem Tag", fügte er hinzu. Koch sagte, in der schwierigen Krisensituation brauche es jemandem, der aus eigener Regierungserfahrung mithelfen könne, das "politische Schiff" Deutschland gut zu führen. "Das kann Christian Wulff besser als Joachim Gauck", betonte Koch mit Blick auf den von SPD und Grünen nominierten Gegenkandidaten.

Die Bundespräsidentenwahl sei "kein Casting-Verfahren" und auch nicht "die Frage einer Sammlung von allen möglichen Sympathiepunkten und Lebenswegen in all ihrer Faszination." Die Wahl sei aber ein Teil der Aufgabe "dafür zu sorgen, dass dies nicht das Jahr wird, in der die Faszination einer bürgerlichen Politik in Frage gestellt wird", unterstrich Koch. Eine "bürgerliche Mehrheit, die ein bürgerliches Gewirr ist", sei aber nicht attraktiv. Die CDU müsse dafür sorgen, dass die bürgerliche Politik, die von Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit spreche, nicht auseinandergerissen werde. Koch fügte hinzu: "Wir haben momentan die Karos zu klein geflochten", das erschwere es dem Bürger zu erkennen, wofür die CDU stehe. "Das müssen wir lösen", fügte er hinzu.

Drastischere Töne waren von Jörg-Uwe Hahn, dem hessischen FDP-Chef, zu hören. Hahn warf der Kanzlerin vor, die schwarz-gelbe Koalition in Berlin zu gefährden. "Entweder wir kriegen in Berlin die Kurve oder es ist bald Schluss mit der Koalition", sagte Hahn der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die CDU-Vorsitzende sei offensichtlich entweder nicht fähig oder aber nicht willens, die Koalition mit der FDP ernst zu nehmen. "Sie spielt noch mit dem Joker einer großen Koalition." Sie müsse sich entscheiden, ob sie jetzt endlich die Kanzlerin einer bürgerlichen Regierung werden wolle, sagte Hahn. Das gelte auch für die Regierung in Bayern: Wenn der bayerische Gesundheitsminister Söder (CSU) weiter so gegen Gesundheitsminister Rösler (FDP) auftrete, könne die FDP sich das "nicht mehr länger gefallen lassen".

Die Mehrheit der Deutschen erwartet eine vorzeitiges Ende der Koalition

Die Bevölkerung zeigt sich unterdessen pessimistisch. Die Mehrheit der Deutschen glaubt nicht, dass die Regierung Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode hält. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest-dimap für die ARD rechneten nur 40 Prozent damit. 53 Prozent erwarteten dagegen ein vorzeitiges Ende der schwarz-gelben Koalition, wie die ARD am Samstag mitteilte. Noch schlechter fiel das Urteil über das Sparpaket der Regierung aus. 79 Prozent der Befragten hielten es für "nicht sozial ausgewogen" und nur 17 Prozent für "sozial ausgewogen". 67 Prozent befürworteten eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 47 Prozent für Jahreseinkommen ab 250.000 Euro, 29 Prozent waren dagegen. Allerdings glaubten auch nur fünf Prozent, dass die Maßnahmen der Bundesregierung ausreichten, um das Sparziel zu erreichen. 93 Prozent rechneten mit weiteren Belastungen, wie die ARD weiter mitteilte.

Für die Umfrage in der Sendung Bericht aus Berlin wurden in den vergangenen Tagen 1000 Wahlberechtigte befragt. Gefragt nach dem künftigen Bundespräsidenten, hielt eine Mehrheit dass Rennen für offen - "auch wenn sie wissen, dass Union und FDP in der Bundesversammlung eine Mehrheit haben", hieß es weiter. 54 Prozent glaubten, dass der Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, eine Chance hat gegen den Kandidaten der Regierungskoalition, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. 38 Prozent hielten Gauck für chancenlos.

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