Schwarz-Gelb:Der Blindflug des Guido Westerwelle

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Die FDP will nach elf Jahren Opposition eigene Akzente setzen. Das ist verständlich, doch ihr Programm passt nicht zur wirtschaftlichen Lage.

Claus Hulverscheidt

Das eigentlich Ärgerliche an der Diskussion über Schatten-, Nachtrags- und Nebenhaushalte ist, dass viele jetzt wieder sagen werden, sie hätten es ja immer gewusst. So sind sie halt, unsere Politiker, wird es heißen - vor der Wahl versprechen sie, den Etat zu sanieren, nach der Wahl ruinieren sie ihn. Am besten also alle in einen Sack und feste druff, man trifft ja automatisch den Richtigen! Wer wollte da im Familien- oder Freundeskreis noch den Versuch wagen, Politiker gegen solch dümmliche Pauschalurteile in Schutz zu nehmen?

Politisch ist es durchaus verständlich, dass die FDP nach elf Jahren in der Opposition nicht einfach das Erbe der großen Koalition verwalten, sondern eigene Akzente setzen will. Daran wäre überhaupt nichts auszusetzen, wenn das freidemokratische Programm (Steuersenkungen) und die wirtschaftlichen Gegebenheiten (Finanzkrise, Haushaltsmisere) zueinander passten.

Das tun sie aber nicht - woraus die Liberalen den sehr eigenwilligen Schluss ziehen, dass sich nicht die FDP an die Welt anpassen muss, sondern die Welt an die FDP. Krampfhaft suchen die Parteioberen nun nach "Steuersenkungsspielräumen" und schrecken dabei auch vor Tricks nicht zurück - nicht einmal vor der beinahe zynischen Behauptung, der Aufbau eines Schattenetats sei ein Beitrag zu mehr Transparenz.

Immerhin: Mit dem Versuch, die Kosten dieses Unfugs auch noch auf das Konto der Vorgängerregierung zu buchen, sind die Liberalen am Donnerstag gescheitert. Für 2010 wird die Idee eines "Sondervermögens" aber weiter diskutiert.

Die CDU muss gehörig aufpassen, dass sie nicht unter die Räder des Koalitionspartners gerät. Ihre haushaltspolitische Glaubwürdigkeit - angeblich ein Markenkern der Partei - hat in den vergangenen Tagen bereits heftig gelitten. Nun ist auch ihr Charakter als Volkspartei in Gefahr, wenn sie der FDP zuliebe einen Teil der Gesellschaft, nämlich die Steuerzahler, in großem Umfang entlastet, die Kosten dafür aber der Gesamtbevölkerung aufbürdet: in Form von steigenden Müllgebühren oder höheren Pflege- wie Krankenversicherungskosten.

Angela Merkel unterminiert damit nicht zuletzt ein Projekt, das einstmals zu ihren zentralen Politikzielen zählte und das unverändert vernünftig wäre: die Umstellung des einkommensabhängigen Krankenversicherungsbeitrags auf eine Kopfpauschale.

Eine solche Prämie wäre weitaus gerechter als das bisherige System, weil der zugehörige Sozialausgleich über das Steuersystem organisiert würde: Das hieße, dass alle Bürger, auch Anwälte, Apotheker und Millionenerben, zur Finanzierung herangezogen würden - und zwar nicht nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze, sondern mit ihrem gesamten Einkommen.

Um ein solches System umzusetzen, bräuchte man statt geringerer höhere Steuereinnahmen. Union und FDP verbauen mit ihrem finanzpolitischen Blindflug der vergangenen Tage also nicht nur dem Land die Zukunft, sondern auch sich selbst.

© SZ vom 23.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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