Flucht:Das dreckige Geld der Schleuser

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Wo kommen die Boote her, auf denen Schleuser Flüchtlinge Plätze verkaufen? Dem könnten Ermittler verstärkt nachgehen. (Foto: Sameer Al-Doumy/AFP)

Verbrechersyndikate verdienen mit dem Menschenschmuggel Milliarden. Experten fordern, der Spur des Geldes zu folgen. In Deutschland sehen sie große Mängel.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Hunderttausende Menschen sind in diesem Jahr aus dem Nahen Osten und Afrika nach Europa geflüchtet. Die oft lebensgefährliche Passage kann 7000 Dollar und mehr kosten. Eine internationale Ermittlergruppe konnte jüngst in Belgien und Italien Mitglieder einer Schleuserbande fassen, die illegale Einwanderer mit gefälschten Diplomatenpässen per Flugzeug nach Europa brachte. Kosten pro Person: 20 000 Euro. Die Schleuserkriminalität ist nicht nur ein schmutziges, sondern auch lukratives Geschäft. Internationale Verbrechersyndikate verdienen mit dem Menschenschmuggel jährlich über zehn Milliarden Dollar, schätzt das oberste internationale Anti-Geldwäschegremium Financial Action Task Force (FATF). Dessen Experten warnen, dass die Schleuserkriminalität auch den internationalen Terrorismus finanziere. Auf den afrikanischen Flüchtlingsrouten würden Terrorgruppen an ihren Kontrollposten Wegzoll einfordern.

Mit einem mehrjährigen Aktionsplan möchte die EU schärfer gegen die Schleuserkriminalität vorgehen. Auch "die Vermögensabschöpfung soll verbessert werden", heißt es in der Mitteilung der EU-Kommission. Die Einnahmen der Syndikate fließen häufig über das internationale Finanzsystem in die reichen Industriestaaten, wo Strohleute damit Immobilien, Luxusgüter und Firmen aufkaufen. In Deutschland werden jährlich rund 100 Milliarden Euro an kriminellen Geldern gewaschen. Weltweit sind es bis zu vier Billionen Dollar, schätzt der Internationale Währungsfonds - dieser Betrag entspräche der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Der Menschenschmuggel ist neben Drogen- und Waffenhandel nur ein Bereich der Organisierten Kriminalität, dessen Erträge gewaschen werden.

"Auch bei der Schleuserkriminalität müsste man daher der Spur des Geldes folgen", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im Zoll, Frank Buckenhofer. Er verweist auf sichergestellte Boote und deren zum Teil hochwertige Außenbordmotoren sowie auf die Trucks, mit denen die Menschen an die Küste gebracht werden. "Wer hat diese Güter gekauft, wer hat sie geliefert, wer hat sie bezahlt und woher kommt das Geld dafür?", sagt Buckenhofer. Das müssten erfahrene Finanzermittler in der EU gemeinsam herausfinden. "Doch die deutsche und europäische Politik gibt ihnen zu wenig Personal und Ermittlungsrechte."

Deutschlands Geldwäschebekämpfung ist unzureichend. Die Kontrolleure der FATF bemängelten in ihrem diesjährigen Bericht das Kompetenzwirrwarr von mehr als 300 Behörden, sehen Defizite bei der Überwachung des Bargeldschmuggels und beklagen, es werde zu wenig getan, um Finanzgeschäfte der Verbrechersyndikate zu ermitteln. Zum Vergleich: In Italien haben die Behörden zwischen 2015 und 2019 inkriminierte Vermögen im Wert von 18 Milliarden Euro beschlagnahmt - in Deutschland waren es 338 Millionen Euro, so Berechnungen des Blogs Antifinancialcrime.org.

Der Interpol-Kriminalbeamte Salvador Briseno erzählte auf einer FATF-Konferenz von einem verurteilten Drogenhändler. Dieser habe gesagt: "Die Gefängnisstrafe sitze ich im Kopfstand ab, denn ich weiß, wenn ich rauskomme, wartet das Geld auf mich." Briseno fordert: "Die Banden sind wegen des Geldes im Geschäft, man muss es ihnen wegnehmen."

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