Schleswig-Holstein: Koalition am Ende:Kieler Knochen

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Die große Koalition ist an der leidenschaftlichen Abneigung von CDU-Ministerpräsident Carstensen und SPD-Chef Stegner gescheitert. Doch hinter dem Krach steckt auch Kalkül - und vieles deutet darauf hin, dass sich der SPD-Mann verzockt hat.

Wolfgang Jaschensky

Die große Koalition in Kiel ist am Ende. Der Grund für das Scheitern ist die inbrünstige Abneigung, die die beiden wichtigsten Protagonisten füreinander empfinden: CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und SPD-Landeschef Ralf Stegner sind sich über die vergangenen vier Jahre so feind geworden, dass unter ihnen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgeschlossen ist.

Der Riss scheint endgültig: Ralf Stegner (re.) und Peter Harry Carstensen. (Foto: Foto: ddp)

Doch hinter dem Krach steckt auch Kalkül - und vieles deutet darauf hin, dass sich der SPD-Mann verzockt hat.

Carstensen und Stegner mochten sich noch nie, die Geschichte ihrer Koalition ist eine Geschichte von Konflikten, Streit und Feindseligkeiten. 2006 wurde erstmals offen von einem kräftigen Krach zwischen den beiden Spitzenpolitikern berichtet.

Dem Vernehmen nach wollte Carstensen Stegner, damals Innenminister, bereits im Mai 2006 aus dem Kabinett werfen. Dass die Genossen Stegner 2007 zum SPD-Landeschef wählten und er so an Macht gewann, trug nicht gerade zur Entspannung an der Förde bei.

Zwei Monate nach Stegners Aufstieg drohte der Kieler Koalition dann erstmals ernsthaft das Ende. Ein Streit um Beamtenbesoldung war eskaliert, Carstensen warf Stegner mangelnde Kabinetts-Loyalität vor.

Auf einem Parkplatz in Rendsburg rangen SPD-Spitzenpolitiker umlagert von Journalisten per Telefon mit der CDU-Spitze um einen Ausweg aus der Krise. Am Ende verzichtete Stegner zähneknirschend auf seinen Ministerposten, und das Bündnis war gerettet - vorerst.

Nach unzähligen weiteren Streitereien stand die Koalition im Juni dieses Jahres erneut vor der Zerreißprobe. Stegner weigerte sich, das von der CDU geforderte Sparpaket mitzutragen, Carstensen musste erneut mit dem Ende der Koalition drohen, um den Chef der Nord-SPD zum Einlenken zu bewegen.

Aufhänger des aktuellen Streits ist eine Sonderzahlung von 2,9 Millionen Euro an den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank Dirk Jens Nonnemacher. Während Carstensen nun behauptet, es habe in der Koalition Einvernehmen über die Zahlung gegeben, beharrt Stegner darauf, die SPD habe nie zugestimmt.

Nun ist es eigentlich wenig überraschend, dass ein Sozialdemokrat in Zeiten des Wahlkampfs sich gegen Millionenzahlungen an gescheiterte Banker ausspricht und versucht, von der Empörung zu profitieren - und doch hat sich Stegner mit dieser Manöver wohl verzockt.

Stegner hätte wissen müssen, dass sein Widersacher den neuerlichen Streit nützen würde, um Neuwahlen zu fordern. Denn von Neuwahlen vor oder zeitgleich mit der Bundestagswahl profitiert nur einer der beiden Koalitionspartner: die CDU.

Carstensen ist im Norden zwar alles andere als unumstritten, wird aber von vielen als gutmütiger Landesvater durchaus geschätzt. Dass es Stegner innerhalb weniger Wochen und gegen den bundespolitischen Trend gelingt, die Schleswig-Holsteiner davon zu überzeugen, mehrheitlich die Sozialdemokraten zu wählen, gilt als ausgeschlossen.

Findet die Wahl hingegen am Ende der Legislaturperiode im Mai 2010 statt, könnten die Sozialdemokraten schon deutlich besseren Chancen haben. Sollte dann nämlich im Bund eine schwarz-gelbe Koalition regieren, könnte sich der Wind schnell drehen. Der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte geht davon aus, dass nach den ersten unpopulären Entscheidungen einer neuen Bundesregierung die Landtagswahlen dann bald zu Gunsten der Opposition ausgehen.

Stegner versucht nun natürlich, der CDU die Schuld für die Krise zu geben. Er warf der CDU vor, mit "vorgeschobenen Argumenten" Neuwahlen erzwingen zu wollen - und hat damit wahrscheinlich sogar ein bisschen recht.

Doch angesichts der langen Geschichte großer Krisen ist Carstensens Schachzug beim Wähler wahrscheinlich durchaus glaubwürdig. Und selbst wenn es den Sozialdemokraten gelingen sollte, beim Wähler den Eindruck zu erwecken, dass die Union für das Scheitern der Koalition verantwortlich ist: Am Ergebnis der vorgezogenen Wahl würde das wohl wenig ändern.

Ein weiteres Problem für die Nord-SPD ist, dass sie einerseits vorzeitige Wahlen unbedingt verhindern will, beim Wähler aber nicht den Eindruck erwecken darf, an der Macht zu kleben. Stegner sagt deshalb, die SPD fürchte sich nicht vor Wahlen. Und: Es werde Wahlen in einem vernünftigen Verfahren geben, dem werde sich die SPD dann nicht entziehen.

Stegners Hoffnung ist nun, Carstensen zum Rücktritt zu drängen. Doch der hat noch eine Alternative: Die Vertrauensfrage.

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