Beton, Fluchttunnel, Stacheldraht - aber auch jubelnde Menschen, die Wunderkerzen in den Nachthimmel halten: Viele Bilder von der geteilten Hauptstadt sind längst in unser kollektives Gedächtnis eingegangen. Aber was geht Menschen durch den Kopf, wenn sie an den Originalschauplätzen stehen? Wir haben uns am Checkpoint Charlie und an der Gedenkstätte Bernauer Straße umgehört. Am 18. August 1961 errichtet eine Ostberliner Maurerkolonne an der sowjetisch-amerikanischen Sektorengenze am Potsdamer Platz eine mannshohe Mauer, streng beaufsichtigt von bewaffneten Volkspolizisten. 28 Jahre lang wird die Berliner Mauer die Teilung zementieren. Auf einer Freifläche neben dem Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße steht die Blackbox Kalter Krieg. Eine Schülergruppe wird durch die Ausstellung geführt. Sie bereiten sich auf das Abi vor, der Kalte Krieg soll vorkommen. Guide: "Und da draußen könnt ihr noch ein Foto machen, nur so zum Spaß, als Andenken für euch, vor historischem Hintergrund." Schüler: "Was denn für'n historischer Hintergrund?" Mitschüler: "Das ist Konzeptkunst."
Arbeiter erhöhen die "Sektorensperre" an der Bernauer Straße (August 1961). In dieser Straße verlief die Grenze zwischen Ost und West entlang der Häuserfront. Dramatische Fluchtszenen spielten sich hier ab, aber die Bernauer Straße ist auch ein Erinnerungsort für das friedliche Ende der Teilung: In der Nacht vom 10. auf den 11. November 1989 wurden zwischen Bernauer und Eberswalder Straße erste Stücke aus der Mauer gebrochen. Auch der offizielle Abriss der Grenzanlagen begann im Juni 1990 in der Bernauer Straße. Blackbox Kalter Krieg: Zwei 18-Jährige stehen vor einer großen Berlin-Karte, der Verlauf der Mauer ist eingezeichnet. Minutenlang starren sie schweigend auf die gezackte Linie, die die Stadt in zwei Hälften teilt. Dann schüttelt einer von ihnen bekümmert den Kopf und sagt: "Unglaublich. Diese Spinner."
Sie gruben Tunnel, bauten Tauchboote oder versteckten sich in Kofferräumen: Tausende DDR-Bürger, denen die legale Ausreise verwehrt wurde, wagten die "Republikflucht" auf dem Land-, Wasser- oder gar Luftweg. Zwei Familien aus dem thüringischen Pößneck gelang 1979 die Flucht im selbstgebastelten Heißluftballon. Nach einer halben Flugstunde gelang ihnen die Landung auf einer Wiese in der Nähe der oberfränkischen Stadt Naila. Museum am Checkpoint Charlie, eine Frau steht mit ihrem erwachsenen Sohn vor der Nachbildung eines Boots. Die Frau ist winzig, ihr Sohn riesig, er überragt sie fast um die Hälfte. Die Schautafel neben dem Boot dokumentiert den Fall eines Leipzigers, der mit einem Schlauchboot über die Ostsee aus der DDR geflohen ist. Eine Karte zeigt die Fluchtroute. Mutter: "Guck mal, Bubbele, der hier ist gepaddelt. Wo isser gestartet? Ahrenshoop. Da isses schön. Und guck mal, da ist auch der Leuchtturm, wo dein Fahrrad mal kaputtgegangen ist."
Ostberliner Bauarbeiter reißen unter strenger Bewachung durch Grenzpolizisten am 1. Juni 1966 Grenzhäuser an der Bernauer Straße ab. Museum am Checkpoint Charlie: Eine Frau, 35, klirrender Goldschmuck, steht mit Pudel im Arm vor einem Modell-Nachbau der Mauer. Der Hund zappelt und windet sich. Sie tätschelt ihn: "Nee, Mausilein, da hättest selbst du nicht drüber springen können."
Ein Symbol aus Beton: Mauerverlauf an der Bernauer/Ecke Schwedter Straße in Prenzlauer Berg/Mitte. Die Aufnahme stammt etwa aus dem Jahr 1986. Eine niederländische Familie (Vater, Mutter, zwei kleine Kinder) steht auf der Grünfläche der Gedenkstätte Bernauer Straße, wo einst der Grenzstreifen verlief. Die Sonne scheint. Die Mutter breitet die Arme aus: "Dat is wel heel leuk hier!" (Das ist schon sehr schön hier!)
Eine fast 1400 Kilometer lange innerdeutsche Grenze trennte die DDR von der Bundesrepublik. Das Foto stammt aus dem Jahr 1984, es wurde an der deutsch-deutschen Grenze nahe Hof/Saale in Oberfranken aufgenommen. Vor der Blackbox Kalter Krieg in der Friedrichstraße. Ein Zehnjähriger betrachtet eine Schautafel, die den Todesstreifen zeigt und (gescheiterte) Fluchtversuche von DDR-Bürgern dokumentiert. Angestrengt denkt er nach. Dann fragt er seine Eltern: "Warum haben die nicht einen Stein ins Minenfeld geworfen, damit es explodiert, und dann laufen sie durch?"
Der Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße war schon vor der Wende der berühmteste Grenzübergang zwischen Ost und West. Das Grenzkontrollhaus der amerikanischen Streitkräfte (hier auf einem undatierten Foto) wurde nach dem Mauerfall entfernt, heute erinnert ein Nachbau an die Teilung der Stadt. Zwei Touristinnen (40) verlassen den Checkpoint Charlie. Die eine zur anderen: "So. Jetzt fahren wir noch zum Brandenburger Tor, dann hammwa alles durch."
Ostberlin, 1982: Vor einem Obststand am Marx-Engels-Platz bilden sich lange Schlangen, es gibt Pfirsiche, 3,60 Mark pro Kilo. Zwei Schülerinnen (15) im Souvenirladen am Checkpoint Charlie, sie kramen in einer Kiste mit historischen Postkarten. Mädchen: "Guck mal, hier ist eine, mit der sie ihre Verwandten in Ostberlin gegrüßt haben." Freundin: "So traurige Geschichten." Mädchen: "Dann nehme ich lieber die hier. Sie kauft eine Postkarte, die ein dickes rosa Schwein in einem Zuber zeigt." Darunter steht: 'Fett geworden durch Küchenabfälle in volkseigenen Mästereien.'
Der britische Premier Winston Churchill, der amerikanische Präsident Harry S. Truman und der sowjetische Diktator Josef Stalin im Juli 1945 während der Potsdamer Konferenz. Am 2. August wird das Potsdamer Abkommen unterzeichnet. Die Siegermächte einigen sich auf eine Aufteilung Deutschlands in verschiedene Besatzungszonen. Damit sind die Weichen für die Teilung gestellt. Im Museum am Checkpoint Charlie, Schulklassen-Besuchstag. Eine Gruppe Jugendlicher fällt in den ersten Raum ein wie eine Horde Hunnen. Die Jungs krächzen stimmbrüchig, die Mädchen sind grell geschminkt, Altersdurchschnitt: 14 Jahre. Vor einem Podest mit einer bronzenen Büste von Winston Churchill kommen sie abrupt zum Stehen. Junge: "Wer is'n das?" Freund: "Ein Italiener." Anderer Schüler: "Quatsch, das ist Churchill. Steht doch da." Junge (streichelt zärtlich Churchills kahles Haupt): "Wie geht's dir, Churchill?" Freund: "Der ist ja echt heiß." Mädchen: "Nee, der ist tot."
Und schließlich fällt sie doch: Jubelnde Menschen sitzen am 11. November 1989 mit Wunderkerzen auf der Berliner Mauer. Nach der Öffnung eines Teils der innerdeutschen Grenzübergänge in der Nacht vom 9. auf den 10. November sind Millionen DDR-Bürger für einen kurzen Besuch in den Westen gereist. Es ist der Beginn vom Ende der Teilung. Die offizielle Wiedervereinigung folgt am 3. Oktober 1990. An der Mauergedenkstätte Bernauer Straße, eine Gruppe Schüler umringt den Lehrer. Schülerin: "Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen? Wie alt waren Sie denn, als die Mauer gefallen ist?" Lehrer: "Hm, lass mich mal überlegen. Da war ich noch Student in Magdeburg ..." Schülerin: "Oh Gott." Protokolle und Text: Luisa Seeling Alle Alterangaben sind Schätzungen.