Saarland:Rehlingers große Aufgaben

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Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hält am Dienstag im Landtag ihre erste Regierungserklärung. (Foto: Harald Tittel/DPA)

Die neue Ministerpräsidentin des Saarlands benennt die drängendsten Themen für ihr reines SPD-Kabinett. Tatsächlich sind die Herausforderungen gewaltig.

Von Gianna Niewel, Saarbrücken

Als Anke Rehlinger sich am Dienstag ans Pult im Saarländischen Landtag stellte, um ihre Regierungserklärung zu halten, sagte sie ein Wort besonders oft. Sie sprach von großen Herausforderungen, gewaltigen Herausforderungen, "Krisen und Herausforderungen". Insgesamt 15 Mal.

Aber ist das viel? Oder ist es wenig in einem Bundesland, das nur 20 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnt, das allein wegen des Strukturwandels 50 000 Arbeitsplätze verlieren könnte? Wo es zwischen Saarbrücken, Saarlouis, Saarwellingen in den nächsten fünf Jahren nicht nur um die Zukunft einzelner Werke geht, sondern um die Identität eines Industrielandes?

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Am Montag war Anke Rehlinger zur Ministerpräsidentin gewählt worden, schon einen Tag später bekam sie keine Blumensträuße mehr, keine Glückwünsche mehr dazu, dass die SPD allein regieren kann. Da musste sie sagen, wie sie die Herausforderungen angehen will, und welche Ministerinnen und Minister sie dabei unterstützen sollen.

Die größte Aufgabe im Saarland ist der Strukturwandel. Allein bei Ford in Saarlouis arbeiten 4800 Angestellte, deren Zukunft ungewiss ist, weil das Werk in einem Bieterwettbewerb mit Valencia steht. Nur an einem Standort will Ford nach 2025 ein E-Auto bauen, der andere wird geschlossen. Für das Saarland wäre eine Schließung auch deshalb fatal, weil an dem Werk Zuliefererfirmen wie ZF, Schaeffler und Bosch hängen, bei denen Menschen ebenfalls um ihre Stellen fürchten müssten. Schon dass Elon Musk seine Tesla-Gigafactory lieber in Brandenburg als an der Saar ansiedelte, haben sie verkraften müssen. Jetzt kämpft die Regierung darum, dass der chinesische Batteriezellenhersteller SVOLT eine Fabrik in Überherrn baut. Aber auch das ist noch unklar.

Viele Orte werden von Hochöfen überragt

Der Mann, der als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident bei der Klärung helfen soll, heißt Jürgen Barke. Er ist 59 Jahre alt und ein Vertrauter von Anke Rehlinger, er war Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, als sie dort Ministerin war. Vereidigt wurde er am Dienstag, wie auch die anderen drei Minister und zwei Ministerinnen.

Die zweite große Herausforderung für das Kabinett Rehlinger I ist die Energiewende an der Saar. Viele Orte werden von Hochöfen überragt, ganze Regionen haben von Kohle und Stahl gelebt. Bis 2030 will die SPD den Anteil erneuerbarer Energien von 20 auf mindestens 40 Prozent erhöhen, hierzu sollen Fotovoltaikanlagen gebaut und Windräder aufgestellt werden. Damit hatte sich das Land zuletzt schwer getan: 2021 gingen nur zwei neue Räder in Betrieb. Rehlinger sagte, sie setze sich dafür ein, dass zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie genutzt werden, die Regierung werde die Kommunen bei den Planungskosten unterstützen.

Als Umweltministerin wird sich Petra Berg darum kümmern, die Frage ist allerdings, wie viel Zeit ihr dafür bleibt, denn sie leitet auch das Justizministerium. Berg ist 58 Jahre alt und war zuletzt Generalsekretärin.

Die dritte Herausforderung sind die Finanzen. Einerseits will die Regierung investieren: Die Kitabetreuung soll kostenlos und das Glasfasernetz ausgebaut werden, junge Menschen sollen für 365 Euro im Jahr Bus und Bahn fahren können. Andererseits muss Rehlinger auf den sehr angespannten Haushalt achten. Sie hofft vor allem auf Geld aus Berlin und Brüssel, will jeden Euro bekommen, den sie finden könne. Darüber hinaus müsse neu über die Verteilung von Strukturförderung geredet werden: "Eine Bevorzugung des Ostens hat keine wirtschaftspolitische oder strukturelle Begründung mehr."

Der Mann, der ihr helfen soll, Geld für das Land zu finden, kennt sich in beiden Hauptstädten aus: Jakob von Weizsäcker, 52 Jahre alt. Er war Europaabgeordneter, leitete die Grundsatzabteilung im Bundesfinanzministerium, jetzt ist er Finanzminister an der Saar. Und auch er hat schon ein Wort gefunden für das, was ihn dort erwartet, für die "schwierige finanzielle Lage" und die "erforderlichen Transformationsinvestitionen". Es heißt "Balanceakt".

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