Bei der Präsidentenwahl in Russland ist es zu mehreren Protestaktionen und Störversuchen gekommen. In einigen Städten kippten Männer und Frauen Farbe in die Wahlurnen, um die darin liegenden Stimmzettel ungültig zu machen. Teils legten sie sogar kleinere Brände. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Wahlleiterin Ella Pamfilowa gab an, dass in 20 Fällen Personen Flüssigkeiten in Wahlurnen geschüttet hätten, außerdem habe es in Wahllokalen acht Brandstiftungsversuche gegeben. Sie beschimpfte die Verantwortlichen und drohte ihnen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren. Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew, Vizechef des Sicherheitsrats, bezeichnete die Protestierenden als "Verräter".
Präsident Wladimir Putin will sich mit der Abstimmung für weitere sechs Jahre im Amt bestätigen lassen. Die Wahl, die von Freitag bis Sonntag angesetzt ist, gilt als weder frei noch fair. Bereits am Nachmittag des zweiten Abstimmungstages gab Russlands zentrale Wahlkommission die Wahlbeteiligung mit mehr als 50 Prozent an. Beobachter verwiesen jedoch auf Betrug und Manipulation.
Russland stimmt ab:Der Notnagel für Putins Gegner
Niemand zweifelt daran, wer bei der Präsidentenwahl gewinnt. Spannend ist, wer Zweiter wird. Mangels echter Opposition wollen Regimekritiker für Wladislaw Dawankow stimmen. Er gilt unter den verbliebenen Kandidaten noch als der kritischste.
Die Wahlbeteiligung gilt für den Kreml als wichtiger Wert, damit Putin am Ende zeigen kann, dass angeblich ein Großteil der Bevölkerung ihn und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine aktiv unterstützt. Orientiert man sich an den Daten staatlicher Meinungsforscher, dann strebt der Kreml eine Beteiligung von mehr als 70 Prozent an.
Berichten unabhängiger Beobachter zufolge wurden allerdings Angestellte von Staatsbetrieben in großer Zahl zur Abstimmung gedrängt. Hunderte Firmen veröffentlichten demnach bereits in sozialen Netzwerken Gruppenfotos von ihren Belegschaften vor dem jeweiligen Wahllokal. Auf Videos war außerdem zu sehen, wie Menschen in Bussen zu Abstimmungsorten gefahren wurden. Auch über großen Druck auf ukrainische Menschen wurde berichtet. Diese sollen in den besetzten Gebieten an Abstimmungen teilnehmen, die völkerrechtswidrig und somit international nicht anerkannt sind.
Am Sonntag ist eine große Protestaktion geplant
Die Abstimmung geht noch bis Sonntagabend (19 Uhr MEZ). Echte Gegenkandidaten hat Putin nicht. Ernstzunehmende Oppositionelle wurden entweder nicht als Kandidaten zugelassen, sind ins Ausland geflohen oder sitzen im Straflager. Kremlgegner rufen deshalb zu Protestaktionen auf. Die größte ist für Sonntag geplant: Verschiedene Oppositionelle rufen die Russen dazu auf, in dem Riesenland mit seinen elf Zeitzonen um exakt 12 Uhr der jeweiligen Ortszeit vor den Wahllokalen zu erscheinen. An den langen Warteschlangen - so die Hoffnung - soll sich dann die Unzufriedenheit im Land ablesen lassen. Befürchtet wird, dass es auch hierbei wieder zu Festnahmen kommen wird.
Russische Behörden haben bereits vor einer Teilnahme an der Aktion gewarnt und behauptet, dass sie "Anzeichen extremistischer Aktivitäten" darin sähen. Im Vorfeld berichteten kremlkritische Menschen in der Hauptstadt Moskau von Droh-SMS, die sie auf ihre Handys erhalten hätten. Unter anderem das unabhängige Portal Meduza veröffentlichte Screenshots von einer Sammelnachricht, in der es heißt: "Unabhängig davon, dass du Ideen extremistischer Organisationen unterstützt, freuen wir uns, dass du in Moskau wählen wirst." Dann folgt eine Aufforderung, "ruhig" an der Wahl teilzunehmen - "ohne Warteschlangen und Provokationen". Wer hinter den Nachrichten, die auf Telegram und Signal verschickt wurden, steckt und wie die Empfänger ausgewählt wurden, ist bislang nicht bekannt.
Insgesamt ruft Moskau 114 Millionen Menschen zu der als völlig undemokratisch kritisierten Abstimmung auf - mehr als 4,5 Millionen davon in den besetzten Teilen der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Auch auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektierte, werden Abstimmungen organisiert. Kremlgegner rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, das Ergebnis nicht anzuerkennen.