Russland und Europa:Wie Russlands Außenminister die Welt sieht

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Ziemlich weit vorne: Sergej Lawrow in Berlin neben dem früheren deutschen Außenminister Joschka Fischer. (Foto: Michael Sohn/AP)

Moskau unterstützt Assad? Aber nein! Russland führt Krieg in der Ukraine? Keinesfalls! Putin ist schuld an den Spannungen mit Europa? Falsch! Lawrows Besuch in Berlin zeigt, wie gefährlich weit der Westen und Moskau sich voneinander entfernt haben.

Von Stefan Braun, Berlin

Der Rahmen ist edel, für Sergej Lawrow hat sich die Körber-Stiftung im Hotel Adlon eingemietet. Viel Prominenz ist da, um den russischen Außenminister zu hören; auch Joschka Fischer hat ziemlich weit vorne Platz genommen. Vielleicht kommt ja doch mal der Tag, an dem Russland wieder versöhnliche Töne anschlägt. Dann wäre man natürlich gerne dabei gewesen. So weit alles verständlich.

Am Donnerstag freilich ist aus den kleinen Hoffnungen nichts geworden. Und das ist schon nach einer Minute klar. Sergej Lawrow hält sich nicht lange auf mit Freundlichkeiten. Er springt genau dorthin, wo für ihn Russlands moderne Geschichte losgeht. "Bedauerlicherweise", so der russische Außenminister, müsse er immer noch hören, dass Moskau Schuld an den Spannungen sei, ob in der Ukraine, in Europa oder im Nahen Osten. Dabei wisse jeder, dass die Sowjetunion und das spätere Russland nach dem Fall der Mauer alles versucht habe, um ein friedliches Miteinander zu erreichen. "Es war unser Land, das entscheidenden Anteil an der Wiedervereinigung hatte", so Lawrow. "Wir sind offen für eine Annäherung an die EU gewesen."

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Das moderne Wort von den Echokammern zeigt seine reale Bedeutung

Moskau habe Vorschläge gemacht, wie eine strategische Partnerschaft aussehen könnte. Aufgegriffen aber habe das im Westen niemand. Im Gegenteil: Die USA und ihre Verbündeten hätten nur ein Ziel verfolgt: "Sich selbst zum Sieger zu erklären." Viele Politiker, Wissenschaftler, Geschichtsschreiber im Westen sehen das seit 25 Jahren ziemlich anders. Für Lawrow aber ist es die ungeschminkte Beschreibung seiner Weltsicht. Das moderne Wort von den verschiedenen Echokammern zeigt im Hotel Adlon seine reale Bedeutung. Man kann bei Lawrow sehr gut erkennen, wie gefährlich weit man sich voneinander entfernt hat - in Moskau und im Westen.

Für Lawrow ist das zudem nur die Ouvertüre, um auf alle akuten Großkonflikte seine russische Brille zu legen. Das fängt an in der Ukraine, in der er alle Schuld von sich weist und die Verantwortung ganz woanders verortet. Dort nämlich habe es einen Putsch gegeben, angeführt von sehr radikalen Kräften. Doch statt die Opfer des Putsches zu schützen, sei der Umsturz in der Ukraine von Nato und EU befördert worden. Deshalb (und nur deshalb) habe Russland zum Schutze der Menschen im Osten eingegriffen.

"Einfach absurd zu behaupten, Russland wolle Europa spalten"

Kompromisslos anders denkt Lawrow auch beim Thema Syrien. Moskau helfe Assad? "Nein!", behauptet der russische Außenminister. Moskau habe nur das Ziel, eine Wiederholung der Umsturzversuche im Irak und in Libyen zu verhindern. Ja, Russland sei es, das internationale Prinzipien verteidige, so jenes, wonach die Souveränität eines Staates nicht verletzt werden dürfe. Im Übrigen heiße es in allen UN-Beschlüssen, dass nur das syrische Volk über seine Zukunft entscheiden dürfe.

Auch Lawrows Schlusstremolo hat es in sich. Es sei "einfach absurd zu behaupten, Russland wolle Europa spalten". Russland gehe es allein um eine "faire Interessenbalance". Im Übrigen könne man beruhigt sein, denn: "Es liegt nicht in unserer Natur, eingeschnappt zu sein. Es liegt nicht in unserer Natur, nachtragend zu sein." Deshalb werde Russland immer bereit sein, auf Europa zuzugehen - wenn Europa seine Fehler einsehe. Es ist das Ende einer gut 30-minütigen Erzählung, die 30 Jahre Geschichte mal eben ganz anders darstellt. Nur an einer Stelle gibt es eine klitzekleine Chance auf Annäherung. Und auch die ist ein klein wenig vergiftet: "Wir hoffen, dass politische Weisheit es uns möglich machen wird, wieder gute Beziehungen herzustellen." Weise werden müssen bei Lawrow halt nur die Europäer.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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