Krieg in der Ukraine:Russischer Überläufer offenbar in Spanien erschossen

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"Operation Meise": Maxim Kusminow soll im vergangenen August einen russischen Transport-Hubschrauber in die Ukraine geflogen haben. (Foto: -/dpa)

Maxim Kusminow flüchtete im Sommer 2023 spektakulär in die Ukraine, er bekam Geld und eine neue Identität. Nun wurde er mutmaßlich in der Nähe von Alicante getötet.

Von Leopold Zaak

Es ist ein Fall, der sich liest wie ein Agententhriller: ein russischer Kampfpilot, der den Krieg gegen die Ukraine ablehnt und den ukrainischen Geheimdienst kontaktiert, dann mit einem Militärhubschrauber in das Nachbarland flüchtet. Nun hat dieser Fall offenbar ein tragisches Ende gefunden. Maxim Kusminow wurde offenbar in Spanien getötet, getroffen von mindestens fünf Kugeln.

Vieles an dem Fall ist unklar, bisher bestätigt lediglich der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) den Tod des 28-Jährigen. Spanische Medien hatten bereits am Mittwoch vergangener Woche berichtet, in der Küstenstadt Villajoyosa nahe dem Urlaubsort Alicante sei die Leiche eines Mannes gefunden worden. Demnach sollen Unbekannte aus einem Auto zwölfmal auf den Mann geschossen haben und dann geflüchtet sein. Die spanische Polizei ging offenbar zunächst von einem Verbrechen aus dem Gang-Milieu aus - erst Tage später stellte sich heraus, um wen es sich bei dem Opfer wohl handelte.

Kusminow war Mitglied der russischen Luftwaffe, zu Beginn der russischen Invasion war er in Amur stationiert, einer russischen Region ganz im Osten des Landes. Dort, das erzählte er später in einem Film, den der HUR über ihn veröffentlichte, begann er zu lesen über die ukrainisch-russischen Beziehungen, über den Krieg zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten. Er sympathisierte mit der Ukraine, auch dann, als er im Oktober 2022 in die besetzten Gebiete in Donezk geschickt wurde. "Ich will mich nicht an russischen Verbrechen beteiligen", sagte er. Der Krieg sei ein Genozid an der ukrainischen Bevölkerung.

Er flog nach eigenen Angaben Transportflüge für die russische Armee, an Kampfhandlungen will er nie teilgenommen haben. Ungefähr in dieser Zeit kontaktierte Kusminow offenbar den ukrainischen Militärgeheimdienst - er wollte wohl ein ukrainisches Gesetz ausnutzen, das russischen Überläufern Sicherheit garantiert und hohe Geldsummen verspricht, wenn sie bei ihrer Flucht militärische Ausrüstung mitbringen. Die Planungen für seine Flucht, der der Geheimdienst den Namen "Operation Meise" gab, dauerten wohl mehrere Monate.

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Im August 2023 stieg er mit zwei Soldaten im russischen Schebekino, wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze, in einen russischen Transporthubschrauber des Typs Mi-8, der entlang der gesamten Front zum Einsatz kommt. Er schaltete den Funk aus und flog über die ukrainische Grenze in den Bezirk Charkiw. Die anderen beiden Soldaten wussten nichts von seinem Vorhaben, sie wurden bei der Landung mutmaßlich vom ukrainischen Geheimdienst getötet.

Aus Russland gab es Drohungen gegen den Piloten

Die Flucht Kusminows galt als großer Erfolg für das ukrainische Militär, vor allem symbolisch. Kyrylo Budanow, Direktor des Militärgeheimdienstes, bezeichnete die "Operation Meise" damals als eine der besten Operationen des HUR in der Geschichte der Ukraine. Russische Überläufer gibt es zahlreiche, einen weiteren Fall, bei dem das ukrainische Militär auch noch Ausrüstung im Wert von mehreren Millionen Dollar erhält, ist aber nicht bekannt.

Nach seiner Flucht verbrachte Kusminow wohl einige Zeit in der Ukraine, lebte zuletzt aber unter einem neuen Namen in Spanien. Er soll von der Ukraine knapp eine halbe Million US-Dollar als Prämie und Sicherheitsgarantien für sich und seine Familie erhalten haben. Die ukrainische Zeitung Ukrajinska Prawda berichtet unter Berufung auf Geheimdienstquellen, Kusminow könnte sich selbst verraten haben. Demnach soll er seine ehemalige Partnerin kontaktiert und zu sich eingeladen haben.

Wer Kusminow getötet hat, ist noch unklar. Fest steht, dass es Drohungen aus Russland gab, seine Flucht und den Tod der beiden russischen Soldaten zu rächen. Etwa in der Fernsehsendung des Kreml-Propagandisten Wladimir Solowjow. In der Vergangenheit hat der Kreml immer wieder bewiesen, auch fern der russischen Grenze Oppositionelle oder unliebsame Agenten ausschalten zu können. Russische Beamte versuchen derweil, den Tod Kusminows als Inszenierung darzustellen, mit der Absicht, dem Kreml zu schaden.

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