Russland:Nawalny sendet Lebenszeichen aus berüchtigtem Straflager "Polarwolf" 

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Dieses Foto einer Live-Übertragung zeigt Alexej Nawalny im Juni 2023 während einer Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof in Russland. (Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Er sei guten Mutes, teilte der 47-Jährige mit. Das Straflager im arktischen Norden gilt als eines der härtesten Gefängnisse Russlands.

Der wochenlang vermisste Kremlgegner Alexej Nawalny hat sich nach seiner Ankunft in dem berüchtigten Straflager "Polarwolf" im hohen Norden Russlands erleichtert gezeigt. "20 Tage auf Etappe waren ziemlich anstrengend, aber meine Stimmung ist trotzdem ausgezeichnet", teilte der 47-Jährige in einem am Dienstag in sozialen Netzwerken veröffentlichten Brief mit. "Auf Etappe" bezeichnet in Russland die Verbringung von Gefangenen in ein Straflager.

Nawalnys Team hatte am Montag darüber informiert, dass der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin nach langer Suche von einem Anwalt in dem Lager IK-3 in Charp am Polarkreis gefunden worden sei. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich hier jemand vor Mitte Januar findet", teilte Nawalny mit. Er bedankte sich bei seinem Team aus Juristen und Unterstützern, die ihn seit Wochen in verschiedenen Untersuchungsgefängnissen und Straflagern gesucht hatten. "Mir geht es gut", schrieb er. "Ich bin heilfroh, dass ich endlich angekommen bin."

Nawalny gab sich zuversichtlich, er sei guten Mutes, teilte er am Dienstag nach seiner Ankunft in der Strafkolonie in Jamal-Nenzen via Kurznachrichtendienst X mit. Er bestätigte auch Kontakte zu seinem Anwalt Iwan Schdanow.

Das Straflager liegt knapp 2000 Kilometer von Moskau entfernt und gilt als eines der härtesten Gefängnisse Russlands. Schdanow hatte Unterstützern, Aktivisten, Journalisten und Medien dafür gedankt, sich um Nawalnys Schicksal zu sorgen und nicht müde zu werden, über die Situation zu berichten. Von dem bekannten Kreml-Kritiker hatte zuvor 20 Tage lang jede Spur gefehlt. Sein Team und die Anwälte hatten eine Suchaktion gestartet.

Die USA zeigten sich erfreut über das Lebenszeichen. "Wir begrüßen die Berichte, dass Herr Nawalny ausfindig gemacht wurde. Wir sind jedoch weiterhin tief besorgt über das Wohlergehen von Herrn Nawalny und die Bedingungen seiner ungerechtfertigten Inhaftierung", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. "Wir haben die russische Regierung wissen lassen, dass sie dafür verantwortlich ist, was mit Herrn Nawalny in ihrem Gewahrsam geschieht."

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Nach einem ersten Kontakt zu Nawalny teilte sein Mitarbeiter Iwan Schdanow mit: "Er ist in Ordnung." Die Bedingungen in dem Straflager seien "brutal". Es herrsche Dauerfrost und es sei sehr schwer, dorthin zu gelangen; es würden auch keine Briefe in das Lager zugestellt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat Nawalny vor der Präsidentenwahl am 17. März isolieren wolle.

Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzt die Gerichtsauftritte zur Kritik an Putins autoritärem System. Zuletzt war er zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet worden.

Nawalny ist gesundheitlich angeschlagen

Seit Anfang Dezember war der Aufenthaltsort des schärfsten Gegners des russischen Präsidenten unbekannt gewesen. Die Sorge um den 47-Jährigen war auch deshalb groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist. Mitarbeiter des Strafvollzugs hatten bei Gerichtsprozessen nur mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 etwa 260 Kilometer östlich von Moskau sei.

"Obwohl heute auch Weihnachten ist, ist die Tatsache, dass wir Alexej an diesem Tag gefunden haben, kein Weihnachtswunder, sondern die gewaltige und akribische Arbeit der Juristen des Anti-Korruptions-Fonds", teilte Julia Nawalnaja, die Ehefrau des Oppositionellen, bei Instagram mit. Sie veröffentlichte dazu ein älteres Selfie von sich mit ihrem Mann aus glücklichen Tagen.

Noch am Montag habe Russlands oberstes Gericht behauptet, dass Nawalnys Aufenthaltsort unbekannt sei, sagte Schdanow, der im Exil den Anti-Korruptions-Fonds leitet. Es habe eine komplette Informationsblockade gegeben. Nawalnys Juristen hätten mehr als 600 Anfragen verschickt und alle Untersuchungsgefängnisse "durchsucht", um ihn zu finden.

Seit fast drei Jahren in Haft

Die Kremlgegner um Nawalny hatten Anfang Dezember auch die Kampagne "Russland ohne Putin" begonnen, mit der sie Wähler vor der Präsidentenwahl dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, mögliche Mitbewerber gelten als chancenlos.

Nawalny, der 2020 auch einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt hatte, ist seit fast drei Jahren in Haft. Er wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Die USA, die EU sowie die Bundesregierung hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder besorgt gezeigt und die russische Führung aufgefordert, über Nawalnys Verbleib zu informieren.

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