Als am Dienstagmittag über der Werft Swjosdotschka in der Stadt Sewerodwinsk am Weißen Meer dichter Qualm aufstieg, war es für einen Moment wieder da, das Bild von den maroden russischen Streitkräften. Schweißarbeiten hatten offenbar einen Brand auf dem Atom-U-Boot Orjol ausgelöst, berichtete die Agentur Interfax. Es befänden sich aber keine Waffen an Bord, sagte ein Mitarbeiter der Werft in der etwa 1300 Kilometer von Moskau entfernten Stadt. Der Reaktor sei zuvor abgeschaltet worden. Die Orjol wird seit gut einem Jahr repariert. Ursprünglich sollte sie 2016 wieder in See stechen.
Während die russischen Streitkräfte lange eher durch ihre Zerfallsprozesse aufgefallen waren, überwiegt seit der Annexion der Krim wieder die Furcht vor ihnen. Die Nachricht vom Brand kam wenige Tage nachdem ein Generalmajor verkündet hatte, Russland werde im hohen Norden militärisch stärker Präsenz zeigen. In einem Interview gab der stellvertretende Kommandeur der Luft- und Weltraumstreitkräfte, Kirill Makarow, am Wochenende bekannt, die Armee habe Abwehrraketensysteme vom Typ Panzir in der rohstoffreichen Region stationiert. Es gehe um den Schutz der Nordflanke des Landes.
Außerdem sollten in Kürze Kampfjets des Typs MiG-31 in die Region verlegt werden. Auf der Insel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer ist ein Frühwarnsystem geplant. Makarow zeichnete ein bedrohliches Bild: In nur fünf Jahren seien im US-Programm "Prompt Global Strike" 8000 Marschflugkörper einsatzbereit - auch gegen Russland. Auf der Inselgruppe Franz-Josef-Land traf am Montag Baumaterial für eine Marine-Anlage ein. Die nahe der Grenze zu Norwegen stationierte Nordflotte plane zudem in der Region östlich von Spitzbergen mehrere "Objekte", hieß es.
Zwei neue arktische Brigaden hinter dem Polarkreis
Erst vor einem Jahr hatte Russland ein Manöver in der Arktis abgehalten. Transportflugzeuge vom Typ Il-76 setzten dabei große Mengen von Militärtechnik auf den Neusibirischen Inseln ab. Ende vergangenen Jahres dann wurde eine Kommandozentrale Nord gegründet, die bald zwei neue arktische Brigaden mit insgesamt 6000 Soldaten hinter dem Polarkreis befehligen soll. Die ersten 3000 Mann haben inzwischen den einstigen sowjetischen Stützpunkt Alakurtti nahe der finnischen Grenze wieder bezogen.
Damit wird eine Einrichtung des Kalten Krieges wieder reaktiviert, der seinerzeit zentrale Bedeutung zugemessen wurde. Die Generäle in Moskau erwarteten für den Fall eines Atomkrieges, dass Washington Raketen über das Nordmeer auf die UdSSR schießen würde. Weil die Bedrohung nicht mehr gegeben zu sein schien und das Geld für den Unterhalt fehlte, hatte Moskau die Stützpunkte nach dem Zusammenbruch der UdSSR aufgegeben.
Moskau beansprucht den Nordpol für sich - die Nachbarländer protestieren
Nun wird wieder aufgerüstet. Ein Flugplatz auf den Neusibirischen Inseln wurde instand gesetzt, ein weiterer auf der Inselgruppe Nowaja Semlja, in deren Nähe die Sowjetunion ihre Atombomben testete. Um einen Angriff der USA rechtzeitig zu erkennen, würden neue Radaranlagen und Abfangsysteme aufgebaut, kündigte Makarow an. Das ergänzt die Aufrüstung an der Westgrenze. Im März hatte das Verteidigungsministerium bekannt gegeben, dass Iskander-Raketen in das Gebiet Kaliningrad verlegt wurden. Sie können mit Atomsprengköpfen bestückt werden.