8. Mai 1945:Russlands Flaggen unerwünscht

Lesezeit: 2 min

Russlands Fahnen, wie hier im Hintergrund auf dem Gebäude der russischen Botschaft in Berlin, dürfen bei Gedenkveranstaltungen zum Kriegsende nicht gezeigt werden. (Foto: IMAGO/Christian Spicker/IMAGO/Christian Spicker)

Beim Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 78 Jahren besteht die Berliner Polizei auf einem Verbot russischer und sowjetischer Symbole.

Von Ronen Steinke, Berlin

Bevor an diesem Montag und Dienstag des Endes des Zweiten Weltkriegs mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai (nach russischer Zeitrechnung am 9. Mai) 1945 gedacht wird, hat die Polizei in Berlin eine bemerkenswerte Vorgabe gemacht. Die Polizei möchte russische Flaggen auf Gedenkveranstaltungen verbieten, ebenso wie Bilder des russischen Präsidenten Wladimir Putin - sowie auch Flaggen der von Russland kontrollierten, auf ukrainischem Gebiet liegenden "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk.

Newsletter abonnieren
:Alle SZ-Newsletter im Überblick

Sie wollen über das Wichtigste zum Tage weltweit Bescheid wissen, aber auch erfahren, wie das bessere Leben und Lieben gelingt? Wählen Sie aus über zwanzig Newslettern aus, welcher am besten zu Ihnen passt.

Auch die rote Hammer-und-Sichel-Flagge der Sowjetunion sowie historische sowjetische Militärflaggen werden in der Allgemeinverfügung der Berliner Polizei für den 8. und 9. Mai als Beispiele für Symbole aufgeführt, "die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen" und deshalb bei den geplanten Gedenkveranstaltungen untersagt sein sollten. Und während das Berliner Verwaltungsgericht hiergegen in einer Eilentscheidung am Sonntag juristische Zweifel anmeldete, erklärte die Polizei: Sie wolle weiter durch die Instanzen dafür kämpfen.

Für ukrainische Symbole gilt dieser Bann nicht. Die Polizei hatte zwar zuvor auch das Schwenken ukrainischer Flaggen und das Singen ukrainischer Lieder per Allgemeinverfügung verbieten wollen, um "gewaltsamen Auseinandersetzungen" bei den Gedenkfeierlichkeiten vorzubeugen, wie es hieß. Dieses Verbot allerdings hob das Verwaltungsgericht schon am Freitagabend auf, und die Polizei erklärte sogleich, dass sie dies respektiere und nicht weiter streiten wolle. So verbleibt eine Asymmetrie: Die Polizei besteht auf einem Verbot russischer Symbole, nicht auf einem Verbot ukrainischer Symbole.

Anhand der Flaggen kann man Demonstranten unterscheiden

Zwar seien Straftaten mit Bezug zum Russland-Ukraine-Konflikt in Deutschland inzwischen "deutlich rückläufig", schrieb die Polizei in ihrer Begründung an das Verwaltungsgericht. Dennoch erlebe man bei Demonstrationen "in Teilen eine starke Emotionalisierung der Teilnehmenden aufgrund der Thematik". Deshalb genüge es nicht, wenn bloß aktuelle russische Propaganda-Symbole wie etwa das "Z" verboten würden. Das "Z" wird in Russland als ein Logo der Befürworter des Ukraine-Kriegs verwendet. Deutsche Gerichte stufen es deshalb als strafbaren Akt der Billigung eines Angriffskrieges ein.

Auch wenn es beim Gedenken am 8. Mai um Ereignisse von vor mehr als 70 Jahren gehen sollte: Zwischen ukrainischen und russischen Symbolen bestehe heute ein Unterschied, entschied auch das Verwaltungsgericht in seinen zwei Eilentscheidungen vom Wochenende. Ukrainische Symbole würden derzeit in Deutschland eher als friedlich wahrgenommen; ein "suggestiv-militantes Erscheinungsbild", das durch die bloße Masse von Flaggen entstehen kann und das dann den Rahmen des Grundrechts auf "friedliche" Versammlungen unter freiem Himmel sprengen könnte, gehe von der blau-gelben ukrainischen Flagge nicht aus.

Damit gab die 1. Kammer des Gerichts einem Eilantrag recht. Dieser stammte von einem Verein von Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland, "Vitsche", der Flüchtlingshilfe organisiert und unter anderem gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung politische Veranstaltungen abhält. Auf der anderen Seite sieht die Justiz diesen grundsätzlich friedlichen Charakter bei russischen Nationalsymbolen derzeit offenbar anders. Als einziges Argument dafür, russische Symbole zu gestatten, wiesen die Verwaltungsrichter am Sonntag darauf hin, dass die Polizei doch in der Lage sein sollte, kontrahierende Demonstranten voneinander zu trennen.

Das ist rechtlich ein schwächeres Argument - und eines, das schon im vergangenen Jahr nicht genügt hat, um die Richterinnen und Richter der höheren Instanz, nämlich des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, für die Freiheit der Flaggenschwenker zu gewinnen. An diese höhere Instanz wandte sich die Berliner Polizei am Sonntag, um ihr Verbot russischer und sowjetischer Flaggen aufrechtzuerhalten, und sie durfte sich gute Chancen ausrechnen. Denn: Im vergangenen Jahr zum 8. Mai verbot das Oberverwaltungsgericht rundweg nicht nur russische, sondern auch ukrainische Flaggen. So strikt ist man dort.

Diese strikte Linie fordert die Berliner Polizei in diesem Jahr nur noch gegen eine Seite ein: gegen die russische.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSelenskijs geplanter Berlin-Besuch
:"Unerträgliche Wichtigtuerei"

Die Aufregung ist gewaltig: Nachdem ein Polizist die Reisepläne von Wolodimir Selenskij an eine Zeitung durchgestochen hat, wird wegen Geheimnisverrats ermittelt.

Von Jan Heidtmann, Paul-Anton Krüger und Nicolas Richter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: