Russland-Ermittlungen:Muellers neue Anklagen bringen Trump in Verlegenheit

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Der Vize-Justizminister Rod Rosenstein, (mit den Mitarbeitern John Demers und Ed O'Callaghan) verkündete am Freitag die Mueller-Anklagen. (Foto: AP)
  • US-Sonderermittler Mueller hat zwölf russische Geheimdienstmitarbeiter wegen der Hacker-Angriffe im Wahlkampf 2016 angeklagt.
  • Erstmals wird damit direkt die russische Regierung für die Hacks gegen das Clinton-Team und Wahl-Behörden verantwortlich gemacht.
  • Vor dem Gipfeltreffen zwischen Trump und Putin bringt das die US-Regierung in Verlegenheit.
  • Trump-loyale Republikaner versuchen unterdessen, den Mueller-Vorgesetzten Rod Rosenstein loszuwerden.

Von Johannes Kuhn, Austin

Die Trumps saßen gerade bei der Queen zum Teetrinken, da trat gut 6000 Kilometer westlich Rod Rosenstein vor die Presse. Der stellvertretende Justizminister hatte Neuigkeiten von Sonderermittler Robert Mueller zu verkünden: Der erhebt Anklagen gegen zwölf russische Geheimdienstmitarbeiter wegen mutmaßlicher Hackerangriffe im US-Wahlkampf 2016.

Die Vorwürfe gehen von Verschwörung über illegales Eindringen in Computersysteme und Identitätsdiebstahl bis hin zu Geldwäsche. Dass die Beschuldigten jemals einen amerikanischen Gerichtssaal von innen sehen werden, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Der Neuigkeitswert der Anklageschrift liegt vor allem in den Details zu Identität und Vorgehen der Hacker. Und im Zeitpunkt, der für die amerikanische Regierung unangenehm ist - und das nicht nur, weil in den Nachrichten der langersehnte Besuch des US-Präsidenten bei der britischen Königin kurzzeitig in den Hintergrund rückte.

Am Montag trifft Trump in Helsinki Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Muellers Ermittlungen machen nun erstmals konkret den russischen Geheimdienst in "offizieller Tätigkeit" für die Hackerangriffe auf das Umfeld Hillary Clintons im Jahr 2016 verantwortlich. Zuvor hatte es nur geheißen, eine Organisation in Sankt Petersburg habe die Angriffe unternommen.

Wessen Interessen vertritt Trump?

Neben der Clinton-Kampagne listet Mueller teilweise erfolgreiche Digitaleinbrüche in die Systeme der bundesstaatlichen Wahlkommissionen und bei Firmen auf, die mit der Programmierung von Wahlsoftware zu tun hatten. Das Ergebnis der Wahl sei nicht verfälscht worden, betonte Rosenstein.

Dennoch geht es um die Integrität der Wahlen. Trump, der die russischen Manipulationsversuche stets herunterspielt hat und Muellers Untersuchung zur Moskauer Wahlbeeinflussung als "Hexenjagd" gegen sich bezeichnet, steht nun unter Druck. Einige Demokraten fordern sogar die Absage des Gipfeltreffens, der verbliebene Rest moderater Republikaner zumindest, dass das Thema nun in den Mittelpunkt der Begegnung rücken sollte.

"Ich werde definitiv und streng fragen", erklärte Trump in London vor Veröffentlichung der Anklagen auf die Beeinflussungs-Vorwürfe gegen Russland angesprochen. "Ich glaube aber nicht, dass man ein 'Mist, ich hab' es getan, ich hab' es getan, du hast mich erwischt' erleben wird."

Ernsthafte Konsequenzen muss der Kreml also offenbar nicht fürchten - und mit welcher Ernsthaftigkeit Trump in dieser Angelegenheit überhaupt die Interessen seines Landes vertritt, ist weiterhin unklar: Die genaue Art der Kontakte zwischen dem Trump-Team und russischen Akteuren im Jahr 2016 ist umstritten. Die neuen Anklagen beschuldigen keine US-Amerikaner, die Geheimdienst-Hacker unterstützt zu haben.

Allerdings hatte Roger Stone, ein Trump-Freund, im Jahr 2016 mehrmals Kontakt mit der Twitter-Figur "Guccifer 2.0", die Mueller einer Gruppe des russischen Militärgeheimdienstes zuordnet. Guccifer versuchte, Journalisten und andere Amerikaner zu kontaktieren. Auch eine namentlich nicht genannte Organisation, bei der es sich um Wikileaks handeln dürfte, kommunizierte mit Guccifer und bat um Dokumente aus dem Clinton-Fundus.

Diejenigen, die an eine direkte Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Trump-Team glauben, weisen auf den 27. Juli 2016 hin, der in der Anklage erwähnt wird. An diesem Tag sollen die russischen Geheimdienstler bei ihren Hacking-Versuchen erstmals Lockmails an Dutzende Accounts bei einem E-Mail-Drittanbieter geschickt haben, den Mitarbeiter aus Clintons Büro benutzten.

An jenem 27. Juli 2016 sagte Trump in einer Pressekonferenz in Anspielung auf die damals diskutierte Kontroverse um die private E-Mail-Nutzung der ehemaligen Außenministerin: "Russland, wenn du zuhörst. Ich hoffe, du kannst die 30 000 verschwundenen E-Mails finden. Ich glaube, du wirst reich von unserer Presse belohnt werden."

Verstanden die Hacker dies als Aufforderung? Der Bericht erwähnt die Trump-Äußerung nicht und legt auch keinen Zusammenhang nahe. Zudem begannen die Angriffsversuche bereits im März 2016, aus diesem Monat stammt auch der E-Mail-Verkehr des Clinton-Wahlkampfmanagers John Podesta, der im Oktober von Wikileaks veröffentlicht wurde. Dass das Datum aber als "Beispiel" herausgegriffen wird, dürfte kein Zufall sein.

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:Trump lässt die Queen minutenlang warten

Wird es der einzige Fauxpas bleiben, beim Besuch des amerikanischen Präsidenten auf Schloss Windsor? Immerhin: Königin Elizabeth II. hat gelächelt, als sie Trump und seiner Frau die Hände schüttelte.

Der Zeitpunkt der neuen Mueller-Anklagen dürfte Trump erneut sauer aufstoßen, Samstagmorgen-Tweetstorm nicht ausgeschlossen. Das russische Außenministerium erklärte bereits, die Anklagen dienten der Störung der Atmosphäre.

Tatsächlich zeigt die Veröffentlichung, dass der ehemalige FBI-Chef seiner Aufgabe - den Ermittlungen über den genauen russischen Einfluss auf die Präsidentschaftswahl - akribisch nachkommt. Aber eben auch, dass er die politische Dramaturgie der Angelegenheit durchaus beherrscht.

Republikaner wollen Trumps Arbeit erledigen

Dass der US-Präsident den Sonderermittler feuert, ist weiterhin möglich, würde aber eine größere Verfassungskrise nach sich ziehen. Wahrscheinlicher wäre, dass Trump den ebenso verhassten Vize-Justizminister Rosenstein entlässt. Der ist Muellers Ermittlungsteam offiziell vorgesetzt und macht keine Anstalten, sich dort einzumischen. Würde Trump Rosenstein entlassen und einen Gewährsmann ernennen, könnte dieser Muellers Ermittlungen stoppen.

Eine präsidiale Rosenstein-Entlassung würde allerdings durch den offensichtlichen Zusammenhang ebenfalls für heftige Kritik sorgen, mögliche Solidaritäts-Rücktritte im Justizministerium nicht ausgeschlossen. Eine wachsende Zahl von Trump-loyalen Republikanern im Repräsentantenhaus hat sich deshalb, unterstützt von den konservativen Medien, auf Rosenstein eingeschossen. Sie versuchen, aus dessen Umgang mit den Ermittlungen ein Fehlverhalten zu konstruieren.

Am Freitag wurde bekannt, dass die rechtskonservative Abgeordnetengruppe "Freedom Caucus" bereits Anfang kommender Woche versuchen wird, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rosenstein in die Wege zu leiten. Dies stößt allerdings bei der Fraktionsführung derzeit auf Widerstand.

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