Rot-Rot: Ein Schreckgespenst?:Der Westen adelt

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Mit dem Erfolg im Saarland ist die Linke im Westen angekommen. Doch was bedeutet das für die politische Landschaft der Republik? Die SPD ist mehr denn je gezwungen, Stellung zu beziehen.

Heribert Prantl

Das Saarland ist nicht nur das kleinste, sondern auch das westlichste Bundesland. Was wäre gewesen, wenn die Linke nicht dort, tief im Westen, fast 22 Prozent erzielt hätte, sondern tief im Osten, in Brandenburg, Mecklenburg oder Sachsen gar 44 Prozent? Saarland-Ergebnisse erreicht die Linke alias PDS ja in den östlichen Bundesländern seit langem.

Die Linken sind durch den Erfolg im Saarland auch im Westen angekommen. (Foto: Foto: ddp)

Es wäre wohl gar nichts gewesen. Jedenfalls wäre die Diskussion über die Bündnisfähigkeit der Linken, die nach der Saarland-Wahl ernsthafter geführt wird als bisher, beim alten Ablehnungsgestus geblieben: Mit den Linken paktiert man nicht, und wenn, dann nur im Osten. Das Ergebnis im Saarland wirkt nun als Eisbrecher. Es ist in der Lage, so analysiert das der Wittenberger Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, "den neurotischen Antikommunismus, den es auch in der SPD gibt", aufzubrechen.

Die Stellungnahme des Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier passt zu dieser Analyse. Er hat (bei allen Animositäten, die es begründeterweise in der SPD gegen Lafontaine gibt) erklärt, dass der ja schließlich nicht die Mauer gebaut habe. Noch Anfang 2008, als der damalige SPD-Chef Kurt Beck im Umfeld der Hamburger Bürgerschaftswahl vorsichtige Überlegungen über eine Zusammenarbeit mit den Linken angestellt hatte, war die Aufregung ungeheuer. Es zerriss die Partei schier vor partieller Empörung über Beck. Verglichen damit ist die Diskussion über die möglicherweise im Saarland nun bevorstehende rot-rot-grüne Koalition so ruhig wie das Tote Meer.

Das fulminante Ergebnis im Saarland hat bewirkt, was weder die schon bisher stattlichen Ergebnisse im Osten, noch die bemerkenswerten Erfolge in Bremen (2007, 8,4 Prozent noch als PDS), in Hamburg (2008 6,4 Prozent) und Hessen (2009 5,3 Prozent) bewirken konnten. Als die Ypsilanti-SPD daran ging, eine von den Linken geduldete Minderheitsregierung zu bilden, war die öffentliche Reaktion so, als sei eine Kooperation mit Erich Mielke und den DDR-Panzern geplant - obwohl es sich in erster Linie um Gewerkschafter, frühere Sozialdemokraten und einige versprengte Wirrköpfe handelte.

Sind West-Prozente für die gesamtdeutsche Politik mehr wert als Ost-Prozente? Friedrich Schorlemmer sieht das so: Was im Westen passiert, gelte als gewichtiger, "weil der Osten vom Westen immer noch als Patient behandelt wird". Dem ostdeutschen Wähler unterstelle man im Westen, so meint Schorlemmer, einen zumindest leichten "Knall". Und man führe zur Begründung unter anderem die Umfragen an, wonach jeder fünfte Bürger im Osten die Mauer zurückhaben wolle - was Schorlemmer für eine unverfrorene Interpretation von Fangfragen hält.

Bündnisse mit der Linken haben nun im Saarland und in Thüringen wohl das Pfui-Image verloren. Und es ist anscheinend so, dass ein spektakuläres West-Wahlergebnis die Linken promoviert: Der Westerfolg adelt die Partei und hebt sie auf eine Stufe, die sie koalitionsfähig macht. In diesem Promotionsmechanismus zählt anscheinend auch der Erfolg, den die Linke in Thüringen erzielt hat, weil mit Bodo Ramelow ein ehemaliger West-Gewerkschafter, der nach der Wende in den Osten ging, an der Spitze steht.

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Erst die "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" WASG, die sich gegen Schröders Agenda-Politik im Januar 2005 bildete, hat aus der vormaligen PDS eine im Westen mehr oder weniger akzeptierte Partei gemacht. Bei der Bundestagswahl 2005 erzielte die in "Linkspartei.PDS" umbenannte PDS mit WASG-Kandidaten auf ihren Listen (an der Spitze Oskar Lafontaine) 8,7 Prozent der Stimmen; am 16. Juni 2007 wurde in Berlin die Partei "Die Linke" formell gegründet. Knapp achtzigtausend Mitglieder hat die Partei.

Im Osten geht die Mitgliederzahl zurück, im Westen steigt sie stark an, am stärksten im Saarland. Im Westen formiert sich die Linke aus ehemaligen SPD-Mitgliedern und Sympathisanten, aus Gewerkschaftern und früheren DKPisten. Im Osten sind dreißigtausend Mitglieder frühere SED-Mitglieder; für sie ist die Geschichte der DDR und der SED zugleich ihre Lebensgeschichte. Entsprechend das Durchschnittsalter der Mitglieder: 48 Jahre im Westen, 68 im Osten. Das gilt, wohlgemerkt, für die Mitglieder, nicht für die Wähler.

Bei den Wählern handelt es sich nach allen Analysen um eine früher klassisch sozialdemokratische Klientel. Und so erhofft sich das SPD-Mitglied Friedrich Schorlemmer, dass nun das linke Saarland-Ergebnis der SPD die Augen öffnet: "Könnte es sein, dass die Linke nur so stark ist, weil die SPD programmatisch so schwach ist? Könnte es sein, dass die SPD so schwächelt, weil sie ihre Rolle als Anwalt der Schwachen vergessen hat?"

Gespaltene Linke. Es wäre vielleicht alles anders gekommen, wenn sich die SPD in der Wendezeit auf etliche Partei-Strategen eingelassen hätte, die empfahlen, den "sozialdemokratischen Flügel" der SED in die SPD zu holen, so wie sich auch die CDU und FDP die SED-nahen Blockparteien einverleibten.

Dem damaligen SPD-Chef Hans Jochen Vogel war eine solche Strategie suspekt; auch in den Folgejahren galt die Devise: keine Berührung mit der PDS, schon gar keine Zusammenarbeit. Das Vorhaben, die PDS niederzuringen scheiterte, und an die Stelle des Niederringens trat Schaukelpolitik: Hie und da Kooperation, dann wieder Abgrenzung. Das gilt bis heute - die strikte Abgrenzung bezieht sich aber jetzt nur noch auf die Bundespolitik.

Erhard Eppler, der alte Denker der Sozialdemokratie, erklärt dazu freilich: "Ich kann mir schon irgendwann eine funktionierende rot-rot-grüne Regierung im Bund vorstellen, aber nicht jetzt". In seinem schönen Büchlein "Der Politik aufs Maul geschaut" schreibt er, zur Erklärung, warum das gehen muss: "Der Kommunismus als geschichtliche Kraft ist tot. Der Antikommunismus hat ihn überlebt. Aber irgendwann wird er auch sterben".

© SZ vom 02.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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