Inhaftierter Blogger:Belarussisches Fernsehen zeigt Interview mit Protassewitsch

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Der Blogger Roman Protassewitsch sitzt seit dem 23. Mai in Haft. (Foto: Niall Carson/dpa)

Darin drückt der Regierungskritiker seine Bewunderung für Machthaber Lukaschenko aus und beschuldigt andere Oppositionelle - vermutlich unter Zwang. Die Bundesregierung verurteilt das Interview und bezeichnet es als "Schande".

Das belarussische Staatsfernsehen hat erstmals ein langes Interview mit dem inhaftierten Blogger und Regierungskritiker Roman Protassewitsch ausgestrahlt. Der 26-Jährige gab in dem am Donnerstagabend gesendeten, einstündigen Gespräch unter Tränen zu, Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko organisiert zu haben. Dazu sagte er über Lukaschenko, dass dieser "das Richtige tut" und Protassewitsch ihn "auf jeden Fall" respektiere.

Mit teils zitternder Stimme beschuldigte er andere Mitglieder der belarussischen Opposition. Es ist möglich, dass der Regierungskritiker abermals unter Druck gesetzt wurde. Einen Tag nach seiner Festnahme am 23. Mai meldete er sich mit einem Video, in dem er ein Geständnis ablegte, mutmaßlich unter Zwang.

Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja wendet sich an Europa und die USA

Protassewitschs Eltern hatten bereits die Vermutung geäußert, dass ihr Sohn im Gefängnis misshandelt und zu Aussagen genötigt werde. Seine Anwältin hat eigenen Angaben zufolge keinen Zutritt zu ihm. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja verlangt von Europa und den USA mehr Druck auf Staatschef Alexander Lukaschenko. Der G7-Gipfel im britischen Cornwall vom 11. bis zum 13. Juni solle sich damit befassen, sagte Tichanowskaja. Ein Sprecher von ihr fügte hinzu, Protassewitsch sei eine Geisel des Regimes in Minsk. Das Interview im Staatsfernsehen sei schmerzhaft anzuschauen.

Präsident Lukaschenko hatte vor knapp zwei Wochen mit einem Kampfjet ein Passagierflugzeug in Minsk zur Landung gezwungen und Protassewitsch sowie dessen Freundin verhaften lassen. Der Vorfall hat den Konflikt zwischen der ehemaligen Sowjetrepublik und dem Westen verschärft. Die EU und die USA verhängten neue Sanktionen gegen Belarus. Lukaschenko allerdings verteidigt sein Vorgehen bis heute.

Die Bundesregierung hat das Interview scharf verurteilt. Das Gespräch sei "wohl unter falschen Vorwänden zustande gekommen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. "Das ist eine Schande für den Sender, der es ausstrahlt, und für die belarussische Führung, die nochmal ihre ganze Demokratieverachtung, und eigentlich muss man auch sagen, Menschenverachtung zeigt." Offensichtlich habe das Regime Protassewitsch zuvor "soweit psychisch und möglicherweise auch physisch bearbeitet, dass er dieses vollkommen unwürdige und unglaubwürdige Geständnis-Interview gibt", sagte Seibert.

© SZ/dpa/bloom/reuters/jbee - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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