Republik Moldau:6000 Soldaten für ein ganzes Land

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Flagge zeigen: Angehörige der Ehrengarde bei einer Zeremonie am Mittwoch in Chişinău. (Foto: Vladislav Culiomza/Reuters)

Nach den ungeklärten Anschlägen in der Separatistenregion Transnistrien sind die Moldauer beunruhigt, dass sich der Krieg auf ihr Land ausweiten könnte. Denn ihre Armee ist schlecht gerüstet.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In der Republik Moldau geht das Rätselraten um mehrere Anschläge in und um die Separatistenregion Transnistrien weiter. Anfang der Woche war das Gebäude der Staatssicherheit in dem prorussischen Landesteil, der sich vor dreißig Jahren politisch abgespalten hatte, mit Granaten beschädigt worden, einen Tag später waren zwei Sendemasten gesprengt worden. Wiederum einen Tag darauf soll ein im Norden Transnistriens gelegenes, riesiges Armeelager in Cobasna, in dem bis zu 20 000 Tonnen Munition vermutet werden, angegriffen worden sein. Mittlerweile heißt es aber aus der Region, dass der Beschuss nicht Cobasna, sondern nur ein Ziel in der wenige Kilometer entfernten Ukraine getroffen habe.

Wer auch immer eine Verunsicherung mit diesen Attacken auslösen wollte, hat sein Ziel erreicht: Nicht nur in der von Russland dominierten und abhängigen, selbsternannten "Transnistrischen Moldauischen Republik" wächst die Sorge, in den Krieg Russlands gegen die Ukraine hineingezogen zu werden.

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Auch in der Republik Moldau nimmt die Verunsicherung zu. Aus Tiraspol, der Hauptstadt der Separatisten, wird gemeldet, dass alle Männer im wehrfähigen Alter die Region nicht verlassen dürften; gleichzeitig betont Witalij Ignatjew, "Außenminister" der völkerrechtlich nicht einmal von Moskau anerkannten Transnistrischen Republik, gegenüber internationalen Medien, man setze sich "ausschließlich für den Frieden und die Sicherheit aller Menschen ein, die in Transnistrien leben". Die Armee sei "defensiv ausgerichtet", es gebe "keinerlei Angriffspläne" gegen niemanden.

In dem Möchtegern-Staat, der sich offiziell nach der Anerkennung durch Russland sehnt, aber sich zugleich ökonomisch zunehmend nach Europa orientiert, haben viele Bürger Angst vor dem Krieg in unmittelbarer Nähe. Unbestätigten Berichten aus Tiraspol zufolge sollen sich Autoschlangen an den Übergängen nach Moldau stauen. In Moldaus Hauptstadt Chişinău ist man mindestens ebenso beunruhigt darüber, dass sich aus ungeklärten Anschlägen der vergangenen Tage, die mal ukrainischen Saboteuren, mal dem russischen Geheimdienst, mal aber auch transnistrischen Kräften selbst zugeschrieben werden, eine Spirale der Gewalt entwickeln könnte.

Bulgarien und Israel raten ihren Bürgern, Moldau zu verlassen

Moldau, eine ehemalige Sowjetrepublik, die mittlerweile eine enge Bindung an Rumänien hat - und vor wenigen Wochen einen Aufnahmeantrag in die EU gestellt hat, gilt seit Längerem als ein mögliches Ziel russischer Aggression. Allerdings ist es angesichts der aktuellen militärischen Lage unwahrscheinlich, dass die russische Armee bis in den äußersten ukrainischen Westen vorstoßen und etwa einen Angriff auf Moldau versuchen könnte, selbst wenn Truppen aus Transnistrien sie unterstützen würden. Auch moldauischen Experten zufolge ist das ein Worst-Case-Szenario, mit dem angesichts der jüngsten Rückschläge für Russland nicht gerechnet wird.

Die Regierung Moldaus, das nicht der Nato angehört, hat sich dennoch besorgt darüber geäußert, dass man nur über 6000 Soldaten und eine extrem schlecht ausgerüstete Armee verfüge, die das Land nicht verteidigen könne. Berichte darüber, dass Rumänien Militärkonvois an die moldauische Grenze schicke, wurden zurückgewiesen.

Mittlerweile hat auch die Europäische Union zu einer drohenden Eskalation des Konflikts in Moldau Stellung bezogen. Brüssel forderte alle beteiligten Parteien auf, Zurückhaltung zu zeigen. Joseph Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, nannte die jüngsten Ereignisse in Transnistrien "schädlich für Sicherheit und Stabilität". Die EU, so der Vize-Kommissionschef, sei solidarisch mit der Republik und ihrem Anspruch auf Souveränität und territoriale Integrität.

In Chişinău wird das als deutliches Signal an Russland gelesen, wo zuletzt ein ranghoher Militär über einen Landkorridor und damit eine mögliche Ausweitung des Konflikts bis nach Transnistrien spekuliert hatte. Gleichwohl haben einige Staaten, darunter Bulgarien und Israel, ihren Bürgern geraten, Moldau zu verlassen. Auch auf der Website des Auswärtigen Amtes wird mit Verweis auf die Sicherheitslage, die sich verschlechtert habe, von Reisen nach Transnistrien abgeraten. Tiraspol gibt allerdings derzeit ohnehin kaum Visa aus.

Auch wenn die Regierung Moldaus derweil offensichtlich darum bemüht ist, die Spannungen zu vermindern und mit der transnistrischen Führung im Gespräch zu bleiben, gehen die Bemühungen um eine Annäherung an die EU weiter. So habe sich Chişinău laut dem Experten für russische Außenpolitik an der Universität Oxford, Samuel Ramani, dazu entschlossen, die Sanktionen der EU gegen Moskau demonstrativ mitzutragen, was vorher mit Verweis auf die prekäre Abhängigkeit von russischem Gas und Strom abgelehnt worden war.

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