Religion:Dialog im Zeichen des Krieges

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Eine zerstörte ukrainische Kirche in Lukashivka im Norden des Landes. Russische Soldaten sollen das Gebäude als Munitionslager benutzt haben. (Foto: Petros Giannakouris/AP)

Bei der Vollversammlung des Weltkirchenrats scheint zwischen den orthodoxen Kirchen Russlands und der Ukraine kaum eine Annäherung möglich zu sein. Aber auch ein anderes Thema birgt Konfliktstoff.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wenn ein christliches Weltereignis in Kriegszeiten abgehalten wird, versteht sich die Botschaft der Veranstaltung fast von selbst. Insofern ist das Motto für die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) treffend gewählt: "Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt." Unter diesem Leitspruch versammeln sich von diesem Mittwoch an rund 4000 Christen aus allen Kontinenten in Karlsruhe, westlich-liberale Protestanten ebenso wie osteuropäische, konservative Orthodoxe. Eine Chance zum globalen Dialog. Oder eben eine Gelegenheit für unversöhnliche Auseinandersetzungen.

Denn der Krieg wird nicht zu Hause bleiben, wenn die Delegation der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) bei der Veranstaltung auf die ebenfalls angekündigten Delegierten aus der Ukraine trifft. Der Moskauer Patriarch Kyrill hat den russischen Angriff in seinen Predigten immer wieder gerechtfertigt. Vor wenigen Tagen hat die ROK ein weiteres Indiz dafür geliefert, wo sie steht. Staat und Kirche sollten bei Erziehung und Bildung stärker zusammenarbeiten, teilte sie mit - vor allem mit dem Verteidigungsministerium, um die "militärisch-patriotische Ausbildung" voranzubringen. Müßig also, darüber zu spekulieren, ob Kyrill Wladimir Putin irgendwie beeinflussen könnte. Denn beide sprechen mit einer Zunge.

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Alle acht Jahre tagt die Vollversammlung, sie ist das höchste Entscheidungsgremium des 1948 gegründeten Ökumenischen Rats der Kirchen, dem rund 350 christliche Kirchen und Gemeinschaften angehören und der auch Weltkirchenrat genannt wird (die römisch-katholische Kirche genießt Gaststatus). Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), sieht die Versammlung als Forum des Dialogs. "Selbst wenn die Verständigung zurzeit schwierig ist, müssen wir die Wege der Kommunikation unbedingt offenhalten", sagte sie der der Agentur epd.

Die Optimisten setzen auf die dialogbereiten Kräfte der russischen Orthodoxie

Doch worüber reden? Schon der Dialog zwischen Orthodoxen und westlichen Protestanten über ethische Fragen ist ungeheuer kompliziert, zumal über Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ehen. "Das ist für die Orthodoxie weitgehend ein rotes Tuch. Viele ihrer Vertreter sehen darin einen Abfall von christlichen Werten", sagt Johannes Oeldemann, Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn, der Süddeutschen Zeitung.

Dieses Mal aber, so vermutet Oeldemann, könnte der Konflikt innerhalb der Orthodoxie eine stärkere Rolle spielen. Denn die vormals dem Moskauer Patriarchat unterstellte Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) hat sich nach dem Angriff auf ihr Land am 27. Mai für "selbständig und völlig unabhängig" von Moskau erklärt. Und hat damit einen Schlusspunkt hinter eine Entwicklung gesetzt, die im Grunde bereits mit der ukrainischen Unabhängigkeit begonnen und sich nach der Besetzung der Krim verstärkt hatte, mit wachsendem Rückhalt in der Bevölkerung. 2018 schlossen sich die Separatisten zur Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) zusammen. Womit nun die Ukraine nun zwei orthodoxe Kirchen hat: Die OKU unter dem Metropoliten Epiphanij und die UOK unter Führung des Metropoliten Onufrij. Beide sind nunmehr einig zumindest in ihrer Distanz zu Moskau.

Was ist angesichts einer so komplexen Ausgangslage in Karlsruhe zu erwarten? Thomas Bremer, Professor für Ostkirchenkunde an der Universität Münster, hält einen Dialog nicht für sonderlich erfolgversprechend. "Dazu müssten beide Seiten bestimmte Grundannahmen teilen - was nicht der Fall ist." Wenn die russische Delegation in Karlsruhe die Position des Patriarchen Kyrill vertrete, dann sei dies ganz sicher kein Beitrag zum Frieden. Und falls sie eine andere Meinung verträte, hätte sie damit in Moskau keinen Rückhalt.

Johannes Oeldemann ist da optimistischer. Er setzt seine Hoffnung weniger auf das öffentliche Panel, auf dem beide Seiten am Freitag zusammentreffen sollen. Sondern eher auf die Gespräche der Delegierten im Hintergrund. Und was das Verhältnis zwischen dem Weltkirchenrat und seiner zahlenmäßig stärksten Mitgliedskirche angeht, der russischen Orthodoxie, setzt er auf die dialogbereiten Kräfte. "Solche Kräfte gibt es auch in Russland." Im Juni hatte der Zentralausschuss des Weltkirchenrats den "illegalen und nicht zu rechtfertigenden Krieg" verurteilt. Das waren überraschend klare Worte. Die russischen Vertreter waren an der Erklärung beteiligt und haben immerhin kein Veto eingelegt.

Erwartet wird ein Antrag aus Südafrika, Israel als "Apartheidstaat" zu verurteilen

Die Ukraine ist freilich nur eines unter vielen Themen auf der Vollversammlung. Klimaschutz, Abrüstung, Kampf gegen Hunger und Armut, globale Gerechtigkeit, vieles soll besprochen werden. Doch auch anderswo lauert Konfliktpotenzial.

Erwartet wird nämlich, dass es einen Antrag geben könnte, Israel als "Apartheidstaat" zu verurteilen. Die südafrikanischen Delegierten könnten einen solchen Antrag stellen. "Ich halte es für wahrscheinlich, dass es einen solchen Antrag geben wird", sagte die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus im Vorfeld der Zeitschrift Publik-Forum. Sie selbst würde "mit aller Kraft" dagegen argumentieren. Denn die Konsequenz ist vorhersehbar. Als "Apartheidstaat" würde der Umgang Israels mit den Palästinensern moralisch auf eine Stufe gestellt mit der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung durch das südafrikanische Apartheidregime. Die Zeitschrift prognostiziert: "Die nächste Antisemitismusdebatte ginge durch Deutschland."

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