Katholische Kirche:Wie das Thema Abtreibungen die katholische Kirche umtreibt

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Die katholische Kirche vertritt eine besonders strenge Haltung im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen. (Foto: Ute Grabowsky/photothek.net/imago images)

Die Ampelkoalition will die Selbstbestimmung von Frauen stärken, die Kirche debattiert hitzig über ihre Position. In der Kritik steht die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken - wegen eines Satzes mit Zündstoff.

Von Annette Zoch, München

Es gibt kaum ein Thema, das in der katholischen Kirche die Wellen so hoch schlagen lässt wie die Frage nach Abtreibungen. Befeuert durch die Streichung von "Roe v. Wade" in den USA, aber auch durch bereits beschlossene oder geplante Liberalisierungen des Abtreibungsrechts durch die Ampelkoalition wird die Debatte nun auch im deutschen Katholizismus wieder erbittert geführt. Jüngster Auslöser war ein Beitrag der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, in der Zeit: Darin sprach sich Stetter-Karp dafür aus, die in Deutschland in Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs festgelegte verpflichtende Beratung im Schwangerschaftskonflikt beizubehalten. "Das Leben eines Kindes lässt sich nur schützen, wenn die Mutter selbstbestimmt Ja zu ihrem Kind sagen kann", schreibt Stetter-Karp. Und: Ein Schwangerschaftsabbruch sei "kein regulärer Eingriff und darf auch nicht als solcher behandelt werden".

Das klingt alles nicht besonders konfliktreich. Die Präsidentin des größten katholischen Laiengremiums wirbt für den Schutz des ungeborenen Lebens und für Beratungsmöglichkeiten für Frauen. Wieso also die Aufregung? Die Debatte entzündete sich an einem Satz, der am Ende des Textes steht: "Zugleich ist sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird." Die Bischofskonferenz reagierte indigniert: Diese Position, der zufolge ein flächendeckendes Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen notwendig sei, widerspreche der Haltung der Deutschen Bischofskonferenz, ließ Pressesprecher Matthias Kopp wissen.

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Der deutsche "Synodale Weg" sei nicht befugt, neue Ausrichtungen der katholischen Lehre und der Moral zu beschließen, schreibt der Heilige Stuhl. Im Kern wird damit allen Reformbemühungen eine Absage erteilt.

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Die konservative Frauen-Initiative Maria 1.0 forderte sogar den Rücktritt von Stetter-Karp. Vier konservative Teilnehmerinnen des Synodalen Wegs legten am Dienstag mit einem Gastbeitrag in der Welt nach: Die Forderung, dass Abtreibungen möglichst überall in Deutschland gleichermaßen zugänglich sein sollten, basiere "letztlich auf dem Gedanken einer bloß oberflächlichen Versorgungsmentalität, bei der die gerechte Verteilung (flächendeckend) das entscheidende Kriterium darstellt - ohne Ausrichtung am Guten", schreiben die Theologinnen Katharina Westerhorstmann und Marianne Schlosser, die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und die Journalistin Dorothea Schmidt von Maria 1.0.

Als der Papst 1998 den Ausstieg aus der Beratung verfügte, rang Stetter-Karp schwer mit ihrer Kirche

Stetter-Karp hatte sich zuvor gegen die teilweise massive Kritik verteidigt: Entscheide sich eine Frau nach der Beratung für einen Abbruch der Schwangerschaft, müsse es auch möglich sein, ihn durchführen zu lassen. So sehe es das Gesetz nun mal vor. Die ärztliche Versorgung in Deutschland sei in diesem Punkt nicht flächendeckend gesichert. "Alles Recht auf Selbstbestimmung hilft nichts, wenn die Hürden unüberwindlich sind", so Stetter-Karp.

Schwangerschaftsabbruch und die Sorge um Frauen in Not sind schon lange Themen für Stetter-Karp. Im Jahr 1998 verfügte Papst Johannes Paul II. den Ausstieg der kirchlichen Beratungsstellen aus der Schwangerenkonfliktberatung. Stetter-Karp rang damals schwer mit ihrer Kirche, wie sie der Süddeutschen Zeitung im Mai erzählte. Sie war in dieser Zeit Angestellte des Bistums Rottenburg-Stuttgart, riskierte ihren Job und gründete mit vielen anderen katholischen Laien den bürgerlichen Verein "Donum Vitae", der bis heute die erforderlichen Beratungsscheine für straffreie Abtreibungen ausstellt und nach eigener Darstellung "auf das Leben hin" berät, zugleich aber "die Freiheit und Würde der Frau respektiert".

Aufgrund des biblischen Tötungsverbots und der aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen abgeleiteten Menschenwürde vertritt die katholische Kirche eine besonders strenge Haltung im Umgang mit Abtreibungen. Papst Franziskus verglich Schwangerschaftsabbrüche erst kürzlich wieder mit Auftragsmord. "Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten und zu schützen", heißt es im Katechismus in Abschnitt 2270. Das kanonische Recht sieht in Can. 1397 § 2 die Exkommunikation vor für jeden, der eine Abtreibung vornimmt oder sich an einer Abtreibung beteiligt. Dass der Heilige Stuhl in der Vergangenheit bei an Abtreibungen beteiligten Klerikern gerne ein Auge zugedrückt hat, steht freilich auf einem anderen Blatt.

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Eng verbunden ist die Haltung zur Abtreibung mit der katholischen Lehre von der Beseelung des Fötus, also der Frage, ab wann ungeborenes Leben überhaupt über eine Seele verfügt. Diese Lehre bestand allerdings so noch nicht immer: Erst 1869 hob Papst Pius IX. in der Bulle "Apostolicae Sedis" die bis dahin geltende Interpretation auf, wonach es einen Unterschied gebe zwischen dem unbeseelten Embryo der frühen Schwangerschaftswochen und dem beseelten Fötus. Hintergrund war Pius' Dekret von 1854, wonach bereits die Jungfrau Maria unbefleckt empfangen wurde, also schon im Mutterleib von aller Erbsünde frei war. Diese musste deshalb von Beginn an eine perfekte Seele besessen haben.

Die evangelische Kirche setzt sich ebenfalls für den Schutz des Lebens ein. Sie hält Abtreibungen aber in Einzelfällen für gerechtfertigt, zum Beispiel, wenn die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter in Gefahr ist, oder wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung zustande kam. Im jüdischen Glauben zieht die Seele erst am 41. Schwangerschaftstag in den Körper ein, außerdem haben Leben und Gesundheit der Mutter Vorrang. Ähnlich ist es im Islam.

Nach der Abschaffung von Paragraf 219a soll nun auch 218 überarbeitet werden

Nach dem Amtsantritt der Ampelkoalition war viel geschrieben worden über den schwindenden Einfluss der Kirchen auf Politik und Gesellschaft. Nirgends wird dieser Kulturwandel so sichtbar wie beim Abtreibungsrecht: Im Koalitionsvertrag stehen die Reformen nur noch unter der Überschrift "Reproduktive Selbstbestimmung". Kritiker sagen, dies blende das verfassungsmäßige Schutzbedürfnis des ungeborenen Kindes gänzlich aus. Beim Wegfall von Paragraf 219a, dem Werbeverbot für Abtreibungen, wird es wohl nicht bleiben. Bundesfrauenministerin Lisa Paus hat bereits angekündigt, Paragraf 218 überarbeiten zu wollen. Bis Dezember will die Grüne dazu eine Kommission einsetzen, die den Paragrafen überprüfen soll.

Im Kern geht es darum, ob Schwangerschaftsabbrüche künftig noch im Strafgesetzbuch geregelt sein müssen. Bislang sind Abtreibungen bis zur zwölften Woche eine Straftat, die nach einer bescheinigten Beratung aber straffrei bleibt. Es war ein mühsam errungener Kompromiss, den einige in der katholischen Kirche in Deutschland vor 30 Jahren eher widerwillig schluckten. Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner beklagte damals "unchristliche, sogar antichristliche Tendenzen". Nun ist die katholische Kirche in der paradoxen Lage, heute eine Regelung verteidigen zu müssen, die sie damals zähneknirschend hinnahm.

"Wir haben in Deutschland eigentlich eine sehr gute Situation. Mir ist weltweit keine Gesetzeslage bekannt, die so differenziert versucht, die Rechtsinteressen sowohl des ungeborenen Kindes als auch der Frau im Blick zu behalten", sagt Regine Hölscher-Mulzer, Referentin für Schwangerenberatung beim Sozialdienst katholischer Frauen. Die gesellschaftlichen Debatten zeigten aber auch, so Hölscher-Mulzer, "dass die bestehende Regelung immer weniger geteilt oder verstanden wird". Sie hoffe, dass die Kommission zur Prüfung von Paragraf 218 paritätisch besetzt werde und dass auch kirchliche und Behindertenverbände einbezogen würden.

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