Regierungskrise in Griechenland:Schicksalswahl am 17. Juni

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Nach der Wahl ist vor der Wahl: Weil die Regierungsbildung in Athen gescheitert ist, stimmen die Griechen nun am 17. Juni erneut über die Zusammensetzung ihres Parlaments ab. Bis dahin soll eine Übergangsregierung mit dem höchsten Verwaltungsrichter an der Spitze das Land führen. Angesichts des drohenden Staatsbankrotts steht Griechenland eine Schicksalswahl bevor.

In Griechenland soll es nach übereinstimmenden Medienberichten am 17. Juni Neuwahlen geben. Dies beschlossen der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias und die Vorsitzenden der wichtigsten griechischen Parteien heute in Athen. Die Interimsregierung soll nach Angaben des Staatsfernsehens der höchste Richter des griechischen Verwaltungsgerichtshofes, Panagiotis Pikrammenos, führen. Offiziell wurde dies zunächst nicht bestätigt. In Kürze wollte auch die Staatspräsidentschaft eine offizielle Erklärung ausgeben.

Die Übergangsregierung hat nun den Auftrag, die Wahlen zu organisieren und dringende Alltagsprobleme zu lösen. Die Chefin der Kommunistischen Partei, Aleka Papariga, sagte, bis zur Wahl solle die Führung des Landes keinerlei international bindende Maßnahmen einleiten oder beschließen.

Formell muss am morgigen Donnerstag das am 6. Mai neugewählte Parlament zusammenkommen, das nach der Vereidigung der Abgeordneten wahrscheinlich bereits am Freitag oder Samstag wieder aufgelöst wird. Die zweite Parlamentswahl innerhalb weniger Wochen dürfte darüber entscheiden, ob Griechenland in der Euro-Zone bleiben wird. Beobachter gehen davon aus, dass bei Neuwahlen extrem linke und rechte Parteien weiter erstarken könnten.

Griechen holen ihr Geld von der Bank

In dem Land wächst angesichts der desolaten politischen Lage die Angst vor einem massiven Abzug von Bargeld. Zuletzt sind nach Angaben der Notenbank allein am Montag 700 Millionen Euro abgehoben worden - und die Situation könnte sich verschlimmern. Die griechischen Banken sind zunehmend besorgt, dass die Kapitalflucht zunimmt.

Staatsbankchef Georg Provopoulos habe ihm erklärt, dass die Lage der Banken "sehr schwierig" und das Banksystem "derzeit sehr schwach" sei, berichtet Staatschef Karolos Papoulias. Provopoulos habe ihn gewarnt, dass die Lage sich in den kommenden Tagen noch verschärfen werde. Derzeit bestehe zwar noch keine Panik, "doch es herrschen viele Ängste, die in Panik umschlagen könnten", sagte Papoulias.

"Monat der Tragödie"

Aus der Abstimmung am 6. Mai war die linksradikale Syriza von Alexis Tsipras als zweitstärkste Kraft nach der konservativen Nea Dimokratia und vor der sozialistischen Pasok hervorgegangen. Tsipras will trotz drohenden Staatsbankrotts das Sparprogramm des Landes auf Eis legen. Beobachter sprechen von einer Schicksalswahl. Damit werde die Zukunft des Landes auf Jahrzehnte hinaus bestimmt. Angesichts der finanziellen Turbulenzen gehe es auch um Euro oder Drachme, die alte Währung.

Staatspräsident Karolos Papoulias warnte, der Juni könne zu einem "Monat der Tragödie" für das Land werden. Er bezog sich dabei auf einen Bericht der amtierenden Regierung, wonach Griechenland dringend eine neue arbeitsfähige Regierung benötigt, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Ohne internationale Hilfen ist das Land Ende Juni pleite.

"Schlimme Bedingungen" für Neuwahlen

Der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, rief alle Griechen auf, eine "proeuropäische Front" zu bilden, die das Land im Euro hält. Sozialistenchef Evangelos Venizelos sprach von "schlimmen Bedingungen" für Neuwahlen. "Sie (einige Parteivorsitzende) haben das Mandat des Volkes missverstanden. Das Volk hat uns gesagt, wir sollen im Euroland bleiben." Ähnlich äußerte sich der Chef der gemäßigten Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis. In Anspielung auf die Radikallinken sagte er: "Einige haben engstirnig die Parteiinteressen über das Wohl des Landes gestellt."

Alexis Tsipras, an dessen Widerstand alle Sondierungsgespräche gescheitert waren, sagte, das Mandat der Wähler an seine Partei sei gewesen, das Sparprogramm zu stoppen. "Wir haben unsere Wähler nicht verraten." Tsipras' Partei könnte nach jüngsten Umfragen stärkste Kraft werden. Der Vorsitzende der rechtsorientierten Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, sagte, die internationalen Geldgeber hätten Griechenland besetzt. Ziel der Neuwahlen sei: "Ein Griechenland für die Griechen."

Die Finanzmärkte reagierten schockiert auf die Nachrichten aus Athen, an den Märkten setzte eine Verkaufswelle ein. Der Euro hat heute weiter nachgegeben und ist erstmals seit Mitte Januar zeitweise unter die Marke von 1,27 US-Dollar gerutscht.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/Reuters/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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